8. April 2021
Ausstellung: Patricia Dreyfus im Kunstverein Wolfenbüttel
Dame Natur hat einen üppigen Busen und einen gewölbten Mutterleib, sie steht auf einem prallen Bein. Doch das andere Bein und ihr Arm sind nur noch Gerippe, ihr Kopf ein Totenschädel. Ihre Knochenhand hält einen geschwungenen Stängel, der oben in einem Blatt, unten in einer Blüte endet. Die Schneckenfrau ist eine Halbfigur, der Fühler aus dem Kopf sprießen; der Kopf der überlangen, phallusartigen Schnecke reckt sich nach ihrer Vagina, seine Tränen bilden einen kleinen See. Eine dritte Nackte hockt auf einem großen Kopf, ihr Genital ist ein geöffneter Mund, in dem gefährlich spitze Zähne zacken. „Der Schrei“: ein weibliches Gesicht, in dem Mund und Nase zu einer Art Kokon mit einem kleinen Wesen darin verschmelzen. Solche Bilderfindungen, die Träumen zu entspringen scheinen, zeigt Patricia Dreyfuß (geb. 1951 in Dakar/Senegal) in ihrer Ausstellung „lettre à moi-même“ (Brief an mich selbst) zur Zeit im Kunstverein Wolfenbüttel.
Die titelgebende Arbeit kann man als das künstlerische Programm von Patricia Dreyfus verstehen: „Alles außer Acht lassen, was ich bin, und mich gehen lassen. Let it be. (…) Konfrontier dich nicht mit dir selbst. Lauf nicht vor Dir selbst davon, lass los, lass es fließen. (…) Fühlen, ohne die Dinge drumherum begrifflich zu erfassen. (…) Bleib wach und leichten Herzens.“ So steht’s geschrieben auf einem großen Baumwolltuch. Die Schrift zieht sich quer über eine gestickte stehende Frau mit gesenktem Kopf; ihr langes Haar endet in einem Schwung schwarzer Fäden. Weitere Fäden fallen vom oberen Bildrand herab und vergittern Gestalt und Schrift.