16. Oktober 2021
„Theater Zeitraum“: Premiere „Galka Scheyer in Amerika“
Im Mai 1924 trifft sie in New York ein, und sie brennt darauf, als „Ministerin“ für ihre „vier blauen Könige“ den amerikanischen Kunstmarkt zu erobern: Emmy Galka Scheyer, Malerin aus Braunschweig, die sich seit ihrer schicksalhaften Begegnung mit Alexej von Jawlensky 1916 mit Herz, Haut und Haaren für die Vermarktung von dessen Kunst einsetzte. Im März 1924 nahm sie auch die Maler Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger unter ihre Fittiche und gründete die Künstlergruppe „Blaue Vier“.
Nun hatte das neue Stück von Gilbert Holzgangs dokumentarischem „Theater Zeitraum“ Premiere, „Galka Scheyer in Amerika“; es zeichnet den Weg der leidenschaftlichen Kunstvermittlerin in den Vereinigten Staaten anhand ihres Briefwechsels mit den Künstlern nach.
Und was für Briefe! Man bedauert den Untergang einer solchen Kultur in den Zeiten von E-Mail, SMS und WhatsApp. Das Wunderbare an der Inszenierung: Da die Schauspieler diese Briefe im Wechsel höchst ausdrucksvoll sprechen, hört man einem lebendigen Gespräch zu, mal einem Dialog, mal einem Terzett oder Quintett.
Anfang August 1924 schreibt Galka (Kathrin Reinhardt), sie habe in der öffentlichen Bücherei in acht Tagen 1000 Adressen von Galerien und Museen abgeschrieben und verschicke nun Briefe an diese. „An alle schreiben und das Schicksal für sich arbeiten zulassen – das ist die amerikanische Art zu arbeiten. That gives me a chance.“
Galka gehört der Vordergrund der Bühne, die an Bauhaus-Architektur und die abstrakte Malerei des russischen Konstruktivismus erinnert. Vorn bildet sachliches, weißes Mobiliar ein Interieur, in dem sie spricht und agiert. Die Herren im fernen Europa treten für ihren Part jeweils aus den schwarzen Kulissen hervor. Sie tragen graue Anzüge, Galka dagegen leuchtet im roten Kleid. Der Ton ihrer Briefe ist fast durchweg von Begeisterung, ja Euphorie getragen. „Man darf nicht weinen oder Sehnsucht haben – die Idee ist alles!“ Unermüdlich hält sie…