3. Juli 2019
Chor „Sine Nomine“ mit Lili Boulanger und Carl Orff in St. Johannis
Foto: Sandra Grünberg
„Alles, was Odem hat, soll ohne Feinde, ohne jede Behinderung den Schmerz überwinden und Glückseligkeit erlangen und sich in Freiheit bewegen, ein jeder auf dem Weg, der seine Bestimmung ist.“ So lautet die erste Strophe des „Alten buddhistischen Gebets“ für Chor, Solotenor und Orchester von Lili Boulanger. Die französische Komponistin stand lange im Schatten von Ravel und Debussy, ist heute jedoch als ganz eigene Stimme innerhalb des Impressionismus anerkannt. Das kurze, ergreifende Stück nach buddhistischen Texten aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. handelt von Frieden, Toleranz und Erlösung. Boulanger schrieb es im 1. Weltkrieg, bevor sie 1918 24jährig starb.
Der Philharmonische Chor „Sine Nomine“ führte das Werk am Samstag Abend unter der Leitung von Karsten Scholz in St. Johannis auf, in der Fassung für Chor und Klavier, gespielt vom Duo Tsuyuki & Rosenboom auf zwei Flügeln, und als „Vorspiel“ zu Carl Orffs „Carmina Burana“. Eine kluge Zusammenstellung, wenden sich doch Boulanger wie Orff längst vergangenen Epochen zu, die sie nachempfinden, interpretieren und wieder aufleben lassen. Dabei bedienen sie sich ähnlicher Mittel wie Einfachheit und Wiederholung, Boulanger allerdings mit einer spirituellen, Orff dagegen mit einer ganz diesseitigen Ausrichtung. Und es war, als hätte Orff seinen Schatten auf das Werk der Französin vorausgeworfen: Man hätte es sich etwas sphärischer gewünscht, leiser und differenzierter in der Dynamik als der Chor und Michael Ha (Tenor) es vortrugen.