5. Februar 2017
Ein Mann, eine Maus: Herbert Nauderer in der HBK-Galerie
Der Mann: Herbert Nauderer, Jahrgang 1958, Studium an der Akademie der Bildenden Künste München, verwaltet derzeit die Professur für Grundlehre Zeichnen im Studiengang Freie Kunst an der HBK Braunschweig. Die Maus: Sein Geschöpf und der Protagonist von „Parasite Island – mausmannsland“, einer Ausstellung Nauderers in der Galerie der HBK. Auf den ersten Blick ähnelt sie mit ihren großen runden Ohren Mickey Mouse, doch ist sie von deren Witz ebenso soweit entfernt wie von der Niedlichkeit eines Mäuschens. Wie im Gegenlicht erscheint ihre Silhouette meist groß und schwarz auf den schwarzweißen Bleistift- und Tuschezeichnungen, in Fotos einmontiert, als Maske oder als düsterer Schatten, etwa in einem spießigen Wohnzimmer der 50er Jahre. Da denkt man eher an jenes Tier, das – im Märchen – anstelle des Teufels aus dem Feuer springt, um wenig später die Seele eines Bischofs einzufordern. Oder an die Heerscharen von Ratten, die Graf Draculas Ankunft in England vorangehen.
„Der Mausmann steht für den Menschen an sich, für sein Sehnen und sein Scheitern, in einem ständigen Kreislauf.“ So Nauderer selbst, in Anlehnung an eine apokryphe Inschrift aus Delphi, um 540 v. Chr.: „Die Maus ist eine universale Erscheinungsform der menschlichen Seele (Psyche).“ Ein abgründiges Seelenpanorama ist es, was Nauderer da in Zeichnungen, Fotos, Collagen, Videos und Objekten ausbreitet. Vor allem die alten Fotos aus der Nachkriegszeit, in denen das bedrohliche Wesen mal als Familienvater, mal als Krankenschwester oder Bademeister herumspukt, durchzieht eine beklemmende Unterströmung. Dazu der Journalist Tilman Spengler: „Manche Betrachter werden sofort ‚Kafka’ rufen, doch das sind Zeitgenossen, die eine Maus nicht von einem Käfer unterscheiden können.“ Auch zu seltsamen Prothesen mutiert die Mausmaske, zu schwarzen Schläuchen, Röhren, Strahlen und Flüssigkeiten, die die Gesichter der Menschen auslöschen. Auf einer Zeichnung hockt das Tier als erdrückender Alp einem Kind auf der Brust, in einem Video stolpert es durch den Wald, auf der Suche nach einem Freund.
Im Kurzfilm „Parasite Island“ sieht man einem alten Ehepaar, grandios gespielt von Josef Bierbichler (mit dicken, schwarzen Ohrenschützern) und Sybille Canonica (mit Mausohren), bei ihrer trostlosen Mahlzeit zu. Während sie tintenschwarze Suppe löffeln, entspinnt sich ein destruktiver Dialog, der sich zu einem schier unerträglichen, hasserfüllten Staccato steigert. Im Nebenzimmer hockt derweil die Maus (Nauderer in Maske und schwarzer Latzhose) auf einem Bett und zerdeppert erst mutwillig ihren Teller, am Ende gar die Frau. Wirklich unheimlich gut, diese Ausstellung! (Bis 10.2., Hochschule für Bildende Künste, Johannes-Selenka-Platz, Öffnungszeiten: Mo bis Fr, 13 – 18 Uhr)