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6. Dezember 2017

Ausstellung: Georgia Sagri im Kunstverein Braunschweig

Erwartungsvoll öffnet man die Tor zur Villa „Salve Hospes“ – und prallt jäh auf eine Wand, die mit einem Ziegelsteinverbund bedruckt ist. Der Kunstverein – zugemauert? Doch rechts und links geht man um die Wand herum und steht nun mitten in der Rotunde. Die Wand sei programmatisch für ihre Kunst, erläutert Georgia Sagri, sie sei ein wenig so wie die, durch die sich das Liebespaar Pyramus und Thisbe, durch ein Loch flüsternd, heimlich verständigte: Trennung und Öffnung zugleich, eine Verbindung von Außen und Innen, öffentlichem und privatem Raum. Nach der Eröffnung am Freitag Abend führte die temperamentvolle, vor Elan übersprudelnde Griechin selbst durch ihre Ausstellung. Sie arbeitet auf den Gebieten Performance, Videoarbeit, Malerei, Fotografie, Objektkunst, Texte und Klänge. Gezeigt werden sieben große Skulpturen aus den letzten acht Jahren. Vernetzung, die Überwindung von Begrenzungen und die Auflösung von Dichotomien (etwa Idee – Objekt) sind für die heute in New York lebende Künstlerin zentrale Bestandteile ihres Schaffens. Das signalisiert auch das Logo, das sie für die Ausstellung entworfen hat: Ein dreidimensionales, verschlungenes Band aus Streifen von Zeitungspapier bildet einen Kreis, durchbricht diesen aber auch wieder. Sagri (geboren 1979 in Athen) stellte bereits in Zürich, New York, Berlin, Warschau, Basel, Istanbul und Lyon aus und beteiligte sich an der diesjährigen Documenta 14 mit ihrer Arbeit „Dynamis“: 28 Skulpturen und eine sechstägige Performance, die zeitgleich in Kassel und Athen aufgeführt wurde.

Wo in der Villa Räume symmetrisch zur Rotunde oder zum Gartensaal angeordnet sind, hat Sagri dies aufgegriffen: die zwei Teile der Installation „Documentary of Behavioural Currencies“ (2016), einem fragilen Ensemble aus Holz, Plastikfolie, Sand, Malerei, Plexiglas, Fotodrucken und Video stehen sich so gegenüber. Ebenso auf der Gartenseite die Skulpturen der Arbeit „Dynamis“, schwungvolle Silhouetten von stilisierten Körperteilen und Organen aus bemaltem Aluminium, die wie bunte Wolken an Ständern in der Höhe schweben und ihren Raum komplett ausfüllen; zwei weitere Gruppen im Garten beziehen den Außenraum mit ein. In „my first science fiction book, Religion“ (2015) begab Sagri sich auf die Suche nach einem Glaubenssystem, das die unterschiedlichen Religionen vereint. In einer achtstündigen Performance spielten Sufis, Juden, Christen und Muslime ihre traditionelle spirituelle Musik; die Künstlerin selbst führte dazu Gesten und Bewegungsrituale dieser Religionen vor. Der 3D-Film dieser Performance ist ebenfalls zu sehen, dazu, auf einem Wandbrett, Gesichtsmasken und kleine Plastiken.

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29. November 2017

Premiere: „Open House“ im Staatstheater Braunschweig

Hektisches Stroboskoplicht, dröhnende Popmusik. Die ersten Sätze werden in rasendem Tempo herausgeschrien. Dann Abbruch: „Wir fangen noch mal von vorne an.“ Ja, bitte, denkt man, und hofft, dass nun alles anders wird bei der Premiere von „Open House“ im Aquarium des Staatstheaters. Wird es aber leider nicht.

Drei junge Menschen in einer Wohngemeinschaft, einer durchgeknallter als der andere. Louis (Cino Djavid) hat seinen Kurs zur Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem nicht geschafft und ist weiterhin paralysiert von tausend Ängsten: Klimakatastrophe, vergiftete Lebensmittel, mächtige Großkonzerne, Vorstellungsgespräche – schier alles versetzt den Allergiker in Panik. Ein ganzer Haufen zerknüllter Zeitungen türmt sich schon vor ihm auf. Zu allem Unglück tyrannisieren ihn Telefon und Kühlschrank mit einem Sprachmenü („Bei Existenzangst wählen Sie bitte die Tonwahltaste…“) Louis‘ Devise: „Hoffnung ist nur die Unfähigkeit, der Realität ins Auge zu sehen.“ Selbst als Clown – mit Gaumenzäpfchen-Luftballon – versagt er kläglich, weil er den Kindern zwanghaft die Gefahren dieser Welt erklären muss.

Anna (Gertrud Kohl) flüchtet vor ihren Depressionen in wechselnde Tierkostüme, denn wenn sie nicht verkleidet ist, spürt sie, wie der Eiter in ihr kursiert. Für den ersehnten Applaus übt sie, sich in eine Schachtel hineinzuquetschen. Dabei möchte sie so gerne mutig sein, etwa Charlotte so richtig die Meinung geigen, wenn die sie mal wieder herumkommandiert – Pustekuchen! Der wirklich starke Mensch, die bärtige Frau Helena vom Rummelplatz, die zu ihrem Makel steht, ist ihr großes Vorbild. Aber Anna ist zu schüchtern und harmoniebedürftig: „Liebe ist für alle da und steht immer ganz groß im Plural!“

Nur Charlotte (Yevgenia Korolov) scheint halbwegs normal zu sein. Doch ihr forsches Auftreten ist nur Fassade: „Ich sage ‚Mach den Abwasch!‘ und ‚Feg den Boden!‘, dabei meine ich ‚Liebe mich‘!’“ Das schicke neue Kleid für ihr Date hat sie sich umsonst gekauft: auch Lover Nummer 4 macht sich aus dem Staube. Charlotte beschließt: „Ab heute liebe ich mich selbst – bedingungslos!“ und bringt fortan Mensch und Tier qua Telepathie zum Explodieren. Aber wirklich glücklich macht das auch nicht. Und so träumt sie von einem Marsbewohner, der im Hinterhof landet und ihr zeigt, wie die Liebe geht…

Laut Ankündigung des Staatstheaters zelebrieren die drei „einen einzigen, beherzten und zutiefst begründeten Schrei nach Liebe.“ Ach, wenn es doch so wäre! Die Schauspieler, vor allem Gertrud Kohl, geben ihr Bestes, doch alle Figuren sind so schrill und werden von der Inszenierung noch weiter ins Extrem getrieben, dass man völlig ungerührt bleibt. Oder hat Regisseur Christopher Haninger bei diesem substanzlosen Stück des Frankokanadiers David Paquet einfach nur die Flucht nach vorn angetreten? Einzig das aus Kartons gezimmerte Bühnenbild und die zauberhaften Kostüme – Anna umgarnt Louis als Hummer – von Katrin Gerheuser sind ein Lichtblick.

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17. November 2017

Ausstellung „The Pale Afternoon“ von Olav Christopher Jenssen im Kunstverein Wolfenbüttel

Ein Netz von roten, blauen, grünen, orange- und türkisfarbenen Linien in variierender Strichstärke spinnt sich über die große Wand im Kunstverein Wolfenbüttel. Stets leicht gerundet, suggerieren sie gespannte Bögen oder das Herabhängen lockerer Fäden. Immer wieder treffen sie in einem zentralen Punkt zusammen und bilden größere oder kleinere, mal drei- und viereckige, mal längliche, spindelförmige Zellen aus. Diese lebendige Wandzeichnung „The First COLIBRI DRAWING for Wolfenbüttel“ hat der Künstler Olav Christopher Jenssen zusammen mit drei seiner Studierenden für seine Ausstellung „The Pale Afternoon“ geschaffen. Und der Name passt gut, strahlt doch die Zeichnung die farbenfrohe Leichtigkeit dieser Vögel mit ihren schwirrenden Flügeln aus.

Jenssen (geboren 1954 in Sortland/Norwegen, lebt in Berlin und in Lya/Schweden) zählt zu den renommiertesten Künstlern skandinavischer Herkunft. 1992 nahm er an der Documenta IX in Kassel teil. Seit 1996 war und ist er Professor für Malerei, bis 2003 an der HBK Hamburg, seit 2007 an der HBK Braunschweig. Er arbeitet ungegenständlich, vor allem auf den Gebieten Malerei und Zeichnung, die freilich in seinen Werken nicht voneinander zu trennen sind. Ihr Entstehungsprozess und das Moment der Zeitlichkeit ist Jenssens Arbeiten durch den bewegten Farbauftrag eingeschrieben. In dem großformatigen Ölbild „The Transmontane Painting No. 05“ (2017) hängen Büschel von struppigen, grünen Strichen und geschlängelte Linien vom oberen Bildrand herab in einen imaginären Farbraum hinein, dem weiße und schwarze Fläche Tiefe und Weite verleihen; ein sachtes Rauschen scheint diesen Farbraum zu durchziehen. Aus der Reihe „The Smaller Transmontane Painting No. 02-05“ (2017) sticht ein helles Bild hervor, in dem streifig aufgetragenes Grau, … weiter…

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10. November 2017

Ausstellung „Poller und Persenning“ von Hermann Buß in St. Martini Braunschweig

Trüb und windstill sind der verhangene Himmel und das nur sacht bewegte Meer, der Horizont liegt tief. Grau in allen erdenklichen Nuancen ist die vorherrschende Farbe in den Ölgemälden von Hermann Buß, der seinen Bilderzyklus „Poller und Persenning“ nun in der Martinikirche zeigt. Die Nordsee ist die Welt des 1951 geborenen Malers aus Norden, der in Oldenburg Kunstpädagogik studierte und zwischenzeitlich auch zur See gefahren ist. Sein Blick auf die See ist nüchtern, realistisch und unsentimental: keine einsamen Sandstrände, wie Urlauber sie so lieben, keine schmachtenden Sonnenuntergänge, sondern Ansichten einer harten und kalten Arbeitswelt werden da in reizvollen Ausschnitten und Perspektiven präsentiert. Frachter und Fähren, Container und rostige Eisenträger, Aussichtstürme und asphaltierte Anlegestellen sind neben Himmel und Wasser die Hauptdarsteller dieser Szenerien. Nur selten erscheinen Menschen auf der Bildfläche, und wenn, dann sind es wetterfest vermummte Arbeiter. Das alles ist ehrlich und solide Malerei.

Doch als ob das nicht genügte, wird nun Metaphysisches hineininterpretiert. Man erfährt, dem Maler, der auch Altarbilder geschaffen hat, seien die starken Poller, an denen selbst die größten Schiffe sicheren Halt finden, und das Schützende der Persenning zu Metaphern für Barmherzigkeit und Gnade geworden – für ihn die Schlüsselwörter aus Luthers 95 Thesen. Nun, wenn das so wäre, müssten die Bildgegenstände in irgendeiner Form über sich hinausweisen, in eine andere, geistige Sphäre. Das ist aber nicht der Fall, und man möchte hinzufügen „Gott sei Dank!“, denn dann wäre es vielleicht kitschig geworden. Auch im Reformationsjahr muss man nicht alles und jedes krampfhaft auf Martin Luther beziehen.

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8. November 2017

Ausstellung: „Antipoden II“ in der Städtischen Ausstellungshalle

Thomas Schindler, Prometheus

Prometheus. Der Titan stahl den Göttern das Feuer, um es den Menschen zu bringen und damit – seine Name bedeutet „der Vorausdenkende“ – die Zivilisation. Zur Strafe wurde er ans wilde Kaukasusgebirge geschmiedet. Täglich kam ein Adler und fraß von seiner Leber, die anschließend wieder nachwuchs. Einer Variante des Mythos zufolge schuf Prometheus sogar aus Lehm die ersten Menschen. Auf einem Bild von Thomas Schindler ist – ganz schön anmaßend! – der Künstler selbst als der große Frevler an den Felsen gekettet, mit Malstock und Palette; mit ausgebreiteten Schwingen landet gerade der riesige Adler auf ihm. Doch von Leiden keine Spur: Der Mann ist anständig bekleidet mit Hose, blütenweißem Hemd, Sonnenbrille und karierter Kappe. Ebenso aufgeräumt wie seine Kleidung ist das ganze Bild: alles sauber gezeichnet und in bunten Farben koloriert, der Hintergrund erstrahlt in freundlichem Grün.

Thomas Schindler (geboren 1959) ist einer der drei Künstler, die unter dem Titel „Antipoden II“ in der Städtischen Ausstellungshalle eine Auswahl ihrer Werke aus den letzten 15 Jahren vorstellen. Die anderen beiden: Michael Heckert (geboren 1950) und René Havekost (geboren 1950). Alle drei studierten zwischen 1976 und 1983 an der HBK Braunschweig Malerei, bei Lienhard von Monkiewitsch, Alfred Winter-Rust, Peter Voigt und Hermann Albert. Man erinnere sich: Die 1980er Jahre waren die große Zeit der neuen figurativen Malerei eines Rainer Fetting und Helmut Middendorf, von Elvira Bach, Salomé, der „Mülheimer Freiheit“ und anderen – längst schon wieder ein Stück Kunstgeschichte.

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6. November 2017

Ausstellung „Transparenz“ von Nejla Gür in Hannover-Ahlem

Auszug aus meiner Rede zur Eröffnung: Seit einiger Zeit beschäftigt Nejla Gür das Thema Lebensbahn, das sie auf langen Streifen und Fahnen von Malgrund gestaltet: Papier, Stoff und Folie, die sie mit Acylfarben bemalt. Dabei faszinieren sie vor allem Transparenz und Leichtigkeit des Materials, die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem sowie die Tatsache, dass die Bahnen, wenn sie frei im Raum von oben herabhängen, zwei Seiten haben; außerdem lassen sie sich beliebig fortsetzen und verlängern. Auf ihnen finden wir Frauen in Booten, Frauen mit Kindern oder mit einem dicken Knäuel, aus dem sich der Lebensfaden entwickelt – und abgeschnitten wird. Neu sind die Motive von Schere und Messer als Symbole für Bedrohung. Ein besonders schönes Material ist ein zarter, heller, locker gewebter Baumwollstoff von der Rolle aus der Türkei (die Frauen dort nähen ihre Kopftücher daraus). Ihn bearbeitet die Künstlerin im Verfahren der Cyanotypie, nach der Daguerreotypie und Talbotypie das dritte Verfahren zur Herstellung von fotografischen Bildern, das 1842 entwickelt wurde und auf Eisen beruht. Die Künstlerin legte Gegenstände auf den vorbereiteten Stoff, das sich durch die Strahlung von Sonnenlicht cyanblau verfärbt, wobei die abgedeckten Partien als Fotogramm weiß ausgespart bleiben.

Auf Nejla Gürs blauen Stoffbahnen zeichnen sich die weißen Silhouetten einer großen Distel, von Handfeger, Kehrblech und Paddel ab, ganz verschwommen auch der Kopf des Bürgermeisters von Dikili (für ein scharfes Profil ist er nicht lange genug geblieben, er hatte es eilig). Das Blau ist die Farbe von Himmel und Meer und des Gewandes der schwangeren „Madonna del Parto“, der „Madonna der Geburt“. Die Künstlerin hatte das große Glück, dieses wunderbare Fresko auf einer ihrer Reisen selbst zu sehen. Piero della Francesco schuf es Ende des 15. Jhs. für die Apsis der Friedhofskapelle Santa Maria in Silvis in Monterchi, einer kleinen toskanischen Gemeinde, und der russische Regisseur Andrej Tarkowsky hat ihm in seinem Film „Nostalghia“ ein unvergessliches Denkmal gesetzt.

Weiterhin bringt Nejla Gür in ihre Arbeiten Texte von Gedichten und traurig-schönen türkischen Volksliedern ein, die Weggehen, schmerzliches Sich-trennen-müssen und die Sehnsucht besingen. (Martin Luther-Kirche, Wunstorfer Landstr. 50b, Hannover Ahlem)

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31. Oktober 2017

Museumsnacht im Braunschweigischen Landesmuseum

 

Joachim Mynsinger von Frundeck (Heike Pöppelmann)

„Sie dahinten, Sie können auch mal mehr nach vorn kommen, damit Sie hier was mitkriegen!“ Streng ist er mit seinem Publikum, der Herr Mynsinger von Frundeck. Für die Museumsnacht des Braunschweigischen Landesmuseums ist Direktorin Heike Pöppelmann höchstselbst in die Rolle des Kanzler von Herzog Heinrich dem Jüngeren geschlüpft. In Kurzmantel, Halskrause und federgeschmücktem Barett führt sie durch die Reformationsausstellung. Begeisterung blitzt ihr aus den Augen, als sie vom Leben des Kanzlers erzählt: geboren 1514 in Stuttgart, Jurastudium in Tübingen, Padua und Freiburg, dann Richter in Speyer, bevor er in die Dienste des katholischen Herzogs trat. Und wie war der so als Chef? „Naja, dass ich Humanist war, durfte ich nicht zu laut sagen, aber er war nicht so schlecht wie sein Ruf.“ Schwieriger sei es da mit seinem Sohn, dem Protestanten Herzog Julius gewesen: „Der hat die Lorbeeren für meine Arbeit geerntet, und mich kennt heute kein Mensch mehr!“ Zum Beispiel die Trennung von Verwaltung und Justiz, nach 1789 „Gewaltenteilung“ genannt – da war er seiner Zeit doch weit voraus! Der Kanzler weist auf ein Exemplar seines Gebetbuchs von 1590 (20 Auflagen!), für Katholiken und Protestanten gleichermaßen: „Man muss ja schließlich auch ans Geld denken.“ Ein Kupferstich zeigt ihn in einer Jacke, für deren Pelzfutter 40 Murmeltiere ihr Leben lassen mussten. Unterwegs begegnet man Eva von Trott, der Geliebten Herzog Heinrichs, die dieser in einem Scheinbegräbnis „verschwinden“ liess, um sie heimlich auf der Stauffenburg unterzubringen und mit ihr zehn uneheliche Kinder zu zeugen. Auf diese Dame ist der Kanzler gar nicht gut zu sprechen, Giftpfeile fliegen zwischen beiden hin und her. Dennoch empfiehlt er: „Gehen Sie auch mal zu ihr, dann wissen Sie, was ein liederlicher Lebenswandel ist!“

Eva von Trott (Ulrike Wendt-Sellin) und Hans Pelt (Torsten Poschmann)

Neben Mynsinger von Frundeck und Eva von Trott sind noch mehr „Geister der Vergangenheit“ in dieser Nacht unterwegs, um von den „geschwinden Zeiten“ im 16. Jahrhundert zu berichten: Kolumbus spinnt Seemannsgarn, mit Kopernikus schaut man in den Sternenhimmel, und mit Bürgermeister Jost Kale wandert man zum Benediktinerkloster Hinter Aegidien – soviel Leben war lange nicht im Museum! Im Foyer herrscht bei Renaissancemusik munteres Gewimmel. Fünf Biersorten warten auf ihre Verkostung, denn Bier – freilich mit wenig Alkohol – war damals das Hauptgetränk der Menschen, die Wasser als Quelle von Krankheiten fürchteten.

Im dritten Ausstellungsort St. Ulrici Brüdern dagegen geht es ruhig und meditativ zu: Im Chor erklingt sakrale Musik. Den Anfang machen die acht Sängerinnen der Frauenschola „Lux vivens“. Begleitet von mittelalterlichen Saiten- und Blasinstrumenten, einem Glockenspiel und einem kleinen Orgelpositiv tragen sie gregorianische Gesänge aus der Zeit Hildegards von Bingen vor. Die Melodien schweben klanglich rein im Kirchenraum. Faszinierend auch die tänzerischen Handbewegungen, mit denen Hans-Dieter Karras dirigiert. Er leitet auch die weiteren Konzerte des Schütz-Consorts und der Männerschola „Gregoriana“.

Hans Pelt (Torsten Poschmann) und Jost Kale (Mario Wenzel-Becker)

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20. Oktober 2017

Film: „Sommerhäuser“ von Sonja Kröner

Jedes Jahr fahren Eva (Laura Tonke) und ihr Mann Bernd (Thomas Loibl) mit ihren Kindern in den Garten von Oma Sophie, um dort mit der versammelten Großfamilie den Sommer zu verbringen. Doch im Sommer 1976 ist alles anders. Oma Sophie ist unlängst verstorben, und am Tag ihrer Beerdigung wird der alte Baum im Garten von einen Blitz getroffen. In der Umgebung ist gerade ein kleines Mädchen verschwunden. Dennoch scheint – bis auf die diesjährige Wespenplage – zunächst alles seinen normalen Lauf zu nehmen: Die Kinder spielen ungestört im Baumhaus und im verwilderten Garten mit ihren Funkgeräten und verbuchen qua Strichliste, wer die meisten Wespen gekillt hat. Sie stromern – mit wohligem Schauern, aber auch echter Angst – auf dem unheimlichen Grundstück eines sonderbaren Nachbarn umher und singen fröhlich „Auf den Straßen fließt der Eiter…“ (habe ich in meiner Kindheit auch gemacht). Manchmal pirschen sie sich heimlich an die Erwachsene heran und schnappen Satzfetzen auf, die nicht für ihre Ohren bestimmt sind. Etwa dass die Großeltern mit dem Gedanken spielen, den Garten zu verkaufen, oder dass die kleine Tochter von Tante Gitti (Mavie Hörbiger) vom Vater nicht gewünscht war. Tante Ilse (Ursula Werner) buddelt in den Beeten und lädt die nette, wie sie selbst unverheiratete Nachbarin zu Kaffee und Kuchen ein. Tante Mathilde (Inge Maux) setzt sich auf der Liege splitternackt der prallen Sonne und einer Flasche Eckes Edelkirsch aus. Es wird viel geplaudert, Zeitung gelesen und Kaffee getrunken – wenn nur die verflixten Wespen nicht wären!

Immer deutlicher stellen sich die Störenfriede als Indikatoren unterschwelliger Spannungen heraus, die im Laufe des Films mehr und mehr ausbrechen. Immer öfter kommt es zu Streit, vor allem zwischen Eva und ihrer Schwägerin Gitti, die, ohne Mann, dafür aber mit Tochter sowie knallgelbem Sportwagen und Dior-Klamotten („So was kannst Du Dir gar nicht leisten!“) das schwarze Schaf der Familie ist. Ihre Kleine, mit teuren Geschenken überhäuft, ist bitter enttäuscht, dass der ersehnte Papa nicht zu ihrem Geburtstag erscheint. Tante Ilse bekommt von der Nachbarin einen Brief, den sie bewegt liest und empört zerreißt. Ein Liebesbrief?

Mittlerweile erfährt man, dass das verschwundene Mädchen brutal ermordet, die Leiche mit abgehackten Händen und Füßen gefunden wurde. Abends gruselt Bernd die Kinder mit Geschichten vom Kannibalen. Ein Wespennest wird entdeckt, der Taskforce aus Opa, Papa, Sohn gelingt es aber nicht, es auszuheben, wie Hitchcocks Vögel dringen die Viecher durch Kamin und Ofen ins Haus. So durchzieht das ganze Idyll von Anfang an eine dunkle, bedrohliche, immer weiter anschwellende Unterströmung, ständig schwebt man in der Furcht, dass gleich etwas Schreckliches passiert. Doch es sind nur kleine, ganz normale Katastrophen, wie in jeder anderen Familie auch, zunächst jedenfalls…

Ein Hauch von Tschechow liegt über diesem schönen Film, den Regisseurin und Drehbuchautorin Sonja Kröner mit einer phantastischen Kamerafrau (Julia Deschner) und ebensolchen Schauspielern geschaffen hat. Eine Familiengeschichte, wie sie wohl jeder kennt, und ein wunderbares Zeitkolorit der 1970er Jahre. (Im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Braunschweig zu sehen im Kino Cinema C1 am 22.10., 15.00 Uhr)

Hier der Trailer.

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20. Oktober 2017

Film: „Homo sapiens“ von Nikolaus Geyrhalter

Als „Film über die Endlichkeit menschlichen Seins, über die Fragilität unserer Existenz, das Ende des industriellen Zeitalters und über das, was es ausmacht, Mensch zu sein“ hat der Österreicher Nikolaus Geyrhalter seinen Dokumentarfilm „Homo sapiens“ von 2016 angekündigt. Überall auf der Welt hat er Ruinen einer fragwürdigen menschlichen Kultur gefilmt, überwiegend menschenleere Innenräume: Theater, Kino, Hörsaal, Großraumbüro, Krankenhaus, Archiv, Kirche, Gewächshaus, aber auch verlassene Siedlungen, Bunker, Panzer, Kriegsschiffe und das bizarre Gerüst einer Achterbahn im Meer. Meist streng frontal aus der Zentralperspektive aufgenommen sind diese monumentalen, für die große Kinoleinwand geschaffenen Bilder. Vor der statischen Kamera stehen sie für etwa eine halbe Minute still – im Kino eine lange Zeit, doch langweilig ist das nie. Man könnte allerdings fragen, ob hier nicht eine Fotoserie das angemessenere Medium gewesen wäre, gäbe es da nicht die Bewegungen rauschender Blätter, ziehender Wolken, von raschelndem Papier oder einem weißen Band, das im Luftzug schlurrend Wellen und Schleifen schlägt. Und den Wind, der durch zerbrochene Fenster pfeift, das Tropfen, Plätschern und Prasseln des Regens durch die verrotteten Dächer sowie das Zwitschern, Gurren und Flügelschlagen der durch die Hallen flatternden Vögel. Am Ende einer Bildsequenz wird die Leinwand schwarz, und wie ein Abgesang auf die Zivilisation klingen die Geräusche der jeweils letzten Einstellung in diesem Nichts nach. Dass sich die Natur mit Wind, Wasser, Pflanzen, Sand und Schnee diese verfallenden Orte zurückholt, ist ein Gedanke; ein anderer: Wieviel Müll und Schrott hat doch der Homo sapiens schon auf dieser Erde hinterlassen! So ist dieser Dokumentarfilm zugleich eine dystopische Erzählung, die Szenarien hätten als Kulissen im „Blade Runner“ dienen können. Eine eigentümlich melancholische Stimmung liegt über den Aufnahmen, begründet in einem geradezu romantischen Licht, meistens das eines trüben Tages mit wolkenverhangenem Himmel oder das Zwielicht der Abenddämmerung; manchmal durchdringen sanfte Strahlen oder grelle Lichtkegel, in denen der Staub tanzt, das Halbdunkel. Stimmt das nun versöhnlich? Nun, das vielleicht nicht, aber die ruhige, stille Schönheit dieses Films über die Vergänglichkeit lässt auch die Hoffnung zu, dass die Natur den Menschen, seine Machenschaften und Maschinen überdauern wird. (Im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Braunschweig zu sehen im Kino Universum am 22.10., 19.15 Uhr)

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13. Oktober 2017

Ausstellung: „Spot on…“ von Bärbel Moré im BBK Braunschweig

Aus meiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung: „Spot on…“ heißt es heute Abend. Im Scheinwerferlicht stehen Bärbel Moré und ihre Naturkunst. Doch nicht Kunst nach der Natur, sondern Kunst in, mit und über die Natur ist es, die sie seit über 20 Jahren bewegt.

Moré arbeitet auf den Feldern Malerei, Zeichnung, Druckgrafik, Künstlerbuch sowie Objekt und Installation. Sie studierte 1982-1988 Freie Kunst mit Schwerpunkt Malerei an der HBK Braunschweig bei Professor HP Zimmer. Zu ihrem Werk schrieb sie selbst: „Meine Malerei entwickelte sich aus der Dichte des Unbewussten, verlässt mit tanzender Bewegung das Bildformat. Das erprobte Collagieren erweitert sich zum Montieren, es entstehen Bildstelengruppen, Wandobjekte und schließlich Rauminstallationen.“ Viele dieser ortsbezogenen Installationen, die jeweils durch Atmosphäre, Geschichte, Architektur oder Funktion des Ortes beeinflusst sind, finden in der Natur ihren Platz oder thematisieren Natur und Vergänglichkeit. So auch die Arbeit „Kirschblütenfest“, im letzten Raum oben, mit einem Scheiterhaufen aus trockenen, dennoch blühenden Ästen, umgeben von Papierabdrücken menschlicher Torsi.

„Als Wechsel, ständige Wandlung empfinde ich auch das Dasein – fließend.“ Aus diesem grundlegenden Gedanken Morés und ihrer Verbundenheit mit der Natur heraus entstand 2017 eine Serie von gestisch-bewegten, zum Teil kalligraphischen Zeichnungen mit Tusche, Feder und Filzstift rund um die Vorgänge von Werden und Vergehen – keine Abbildungen von Pflanzen, sondern bildnerische Analogien zur Natur, die Keimen, Wachsen, Sprießen, Wuchern, Blühen, Welken modulieren. Tuschelavuren in variierenden, zarten Grautönen sowie dynamische Linien formen Kreise, Spiralen und Geäst, von denen korallenartige Gewächse, feine Tentakel, stilisierte Blüten, Blätter und Pilze aufstreben oder herabhängen. Samen sprühen und regnen, dichtes Gestrüpp ballt sich zusammen und vibrierende, wässrige Flecken von Tusche unterschiedlicher Farbkonzentration bilden Strukturen wie Maserungen eines Edelsteins aus.

Dabei scheint es sich um „Nahaufnahmen“ oder um Blicke durch ein Mikroskop auf geheimnisvolle Kleinstlebewesen zu handeln. Oft verdichten sich die organischen Formen und ein nächtliches Schwarzgrau in einem Teil des Blattes, während gegenüber lichtweiße Partien frei von Zeichnung bleiben; präzise, harte Linien setzen sich von weich fließenden Pinselspuren und sanften Farbschleiern ab. So lotet die Serie zugleich mit ihren Motiven parallel zur Natur auch den ganzen Kosmos zwischen Schwarz und Weiß, Linie und Fläche, Ruhe und Bewegung, Ordnung und Chaos aus.

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