Regine Nahrwold am 31. Oktober 2017
Museumsnacht im Braunschweigischen Landesmuseum
Joachim Mynsinger von Frundeck (Heike Pöppelmann)
„Sie dahinten, Sie können auch mal mehr nach vorn kommen, damit Sie hier was mitkriegen!“ Streng ist er mit seinem Publikum, der Herr Mynsinger von Frundeck. Für die Museumsnacht des Braunschweigischen Landesmuseums ist Direktorin Heike Pöppelmann höchstselbst in die Rolle des Kanzler von Herzog Heinrich dem Jüngeren geschlüpft. In Kurzmantel, Halskrause und federgeschmücktem Barett führt sie durch die Reformationsausstellung. Begeisterung blitzt ihr aus den Augen, als sie vom Leben des Kanzlers erzählt: geboren 1514 in Stuttgart, Jurastudium in Tübingen, Padua und Freiburg, dann Richter in Speyer, bevor er in die Dienste des katholischen Herzogs trat. Und wie war der so als Chef? „Naja, dass ich Humanist war, durfte ich nicht zu laut sagen, aber er war nicht so schlecht wie sein Ruf.“ Schwieriger sei es da mit seinem Sohn, dem Protestanten Herzog Julius gewesen: „Der hat die Lorbeeren für meine Arbeit geerntet, und mich kennt heute kein Mensch mehr!“ Zum Beispiel die Trennung von Verwaltung und Justiz, nach 1789 „Gewaltenteilung“ genannt – da war er seiner Zeit doch weit voraus! Der Kanzler weist auf ein Exemplar seines Gebetbuchs von 1590 (20 Auflagen!), für Katholiken und Protestanten gleichermaßen: „Man muss ja schließlich auch ans Geld denken.“ Ein Kupferstich zeigt ihn in einer Jacke, für deren Pelzfutter 40 Murmeltiere ihr Leben lassen mussten. Unterwegs begegnet man Eva von Trott, der Geliebten Herzog Heinrichs, die dieser in einem Scheinbegräbnis „verschwinden“ liess, um sie heimlich auf der Stauffenburg unterzubringen und mit ihr zehn uneheliche Kinder zu zeugen. Auf diese Dame ist der Kanzler gar nicht gut zu sprechen, Giftpfeile fliegen zwischen beiden hin und her. Dennoch empfiehlt er: „Gehen Sie auch mal zu ihr, dann wissen Sie, was ein liederlicher Lebenswandel ist!“
Eva von Trott (Ulrike Wendt-Sellin) und Hans Pelt (Torsten Poschmann)
Neben Mynsinger von Frundeck und Eva von Trott sind noch mehr „Geister der Vergangenheit“ in dieser Nacht unterwegs, um von den „geschwinden Zeiten“ im 16. Jahrhundert zu berichten: Kolumbus spinnt Seemannsgarn, mit Kopernikus schaut man in den Sternenhimmel, und mit Bürgermeister Jost Kale wandert man zum Benediktinerkloster Hinter Aegidien – soviel Leben war lange nicht im Museum! Im Foyer herrscht bei Renaissancemusik munteres Gewimmel. Fünf Biersorten warten auf ihre Verkostung, denn Bier – freilich mit wenig Alkohol – war damals das Hauptgetränk der Menschen, die Wasser als Quelle von Krankheiten fürchteten.
Im dritten Ausstellungsort St. Ulrici Brüdern dagegen geht es ruhig und meditativ zu: Im Chor erklingt sakrale Musik. Den Anfang machen die acht Sängerinnen der Frauenschola „Lux vivens“. Begleitet von mittelalterlichen Saiten- und Blasinstrumenten, einem Glockenspiel und einem kleinen Orgelpositiv tragen sie gregorianische Gesänge aus der Zeit Hildegards von Bingen vor. Die Melodien schweben klanglich rein im Kirchenraum. Faszinierend auch die tänzerischen Handbewegungen, mit denen Hans-Dieter Karras dirigiert. Er leitet auch die weiteren Konzerte des Schütz-Consorts und der Männerschola „Gregoriana“.
Hans Pelt (Torsten Poschmann) und Jost Kale (Mario Wenzel-Becker)