Regine Nahrwold am 21. November 2022
Galerie Jaeschke vergibt „Kunstpreis Deutschland“
Am 8. November wurde in der Galerie Jaeschke der „Kunstpreis Deutschland“ vergeben und eine Ausstellung mit Werken der Künstlerinnen und Künstler eröffnet, aus deren Reihen die Preisträgerinnen gekürt wurden. „Kunstpreis Deutschland“? Oh großes Wort! Man denkt an Markus Lüpertz oder Anselm Kiefers Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte oder an Jörg Immendorfs großformatige Gemälde „Café Deutschland“. Ganz hoch hinaus will auch der von den Galerien Jaeschke (Braunschweig) und Wilhelmstein-Art (Goslar) initiierte Preis mit dem Slogan „Art powers Future“ und dem Signet des Brandenburger Tores. Den Künstlern soll er die Gelegenheit geben, sich mit Themen zu beschäftigen, die sie selbst oder auch Deutschland, Europa und die Welt bewegen. Das ist so gut wie: alles Beliebige. Dementsprechend krude ist die Mischung der ausgestellten Arbeiten in den drei Kategorien Malerei, Objekt/Skulptur und Foto/Digital Art, in denen jeweils ein mit 5000 Euro dotierter Preis vergeben wurde: fotorealistisch wie das Portrait eines Homosexuellem vor einer mit Graffiti bedeckten Wand von Kaan Ege Önal; ein Ready Made wie „Corpus delicti“ von Angelika Dors, das aus dem Torso einer Puppe besteht;
oder abstrakt wie „Ewiges Strahlen“, eine Bearbeitung der japanischen Flagge, mit der Marie Schirrmacher-Meitz an den Reaktorunfall von Fukushima und seine Folgen gemahnt. Es gibt durchaus Beachtliches, z.B. gekonnte Malerei wie die von Kaan Ege Önal oder „Zeitkapseln“, ein Bild zweier durchsichtiger Kristalle von Birgit Wolfram, auch das Stilleben einer Spüle mit schmutzigem Geschirr von Gila Epshtein.
Doch etliches ist auch reiner Kitsch, wie etwa Birthe Langners Fotoarbeit „Ich“ in pompösen Goldrahmen oder Michael Redemanns digitales Werk „Meta Romance“; die phallischen Formen in rotglänzendem Kunststoff von Michael Beckers Skulptur „Beginn“ wollen Assoziationen an den Anfang allen Lebens wecken und damit dem Slogan des Kunstpreises gerecht werden – zu hoch gegriffen.
Die Jury, bestehend aus den Galeristen Olaf Jaeschke und Thorsten Heinze (Berlin), der Leiterin der Braunschweiger Kunstschule „buntich“, der Künstlerin Siva Fröhlich (Hamburg) und dem Leiter der Kulturredaktion der Braunschweiger Zeitung, Martin Jasper, hat den Maler Antonio Arias, die Fotokünstlerin Lisa Hoffmann und die Objektkünstlerin Aleks Polonskaja jeweils mit einem Preis bedacht. Antonio Arias bekam den Preis für sein „Selbstbildnis mit Tuch“, das ihn zeigt, wie er sich, erschöpft von heimischen Fitnessübungen, das schweißnasse Gesicht abtrocknet – seine persönliche Quintessenz der Corona-Zeit. Lisa Hoffmanns dreiteilige Serie „Essence-of-US-Police-Rassism“ entstand aus Überlagerungen von Hunderten von Fotografien, die sich zu einem dichten Gewebe verbinden; das hat ästhetische Qualität, aber die Inhalte – die Ermordung dreier Afroamerikaner durch die Polizei – bleiben dabei auf der Strecke. Die aus Packpapier und Polyester-Decken gefertigte Stepparbeit von Aleks Polonskaja schließlich erinnert an kindliche Basteleien aus verflochtenen Papierstreifen. Den Publikumspreis bekam Sophia Bornhagen für ihren „Klimaadler“ aus Pappmaché und Zeitungspapier.
Richtig schlimm ist die lieblose „Präsentation“ der Werke: in dem nach allen Seiten offenen Raum vermischen sich die Exponate mit allem möglichen, was da sonst noch angeboten wird, und erscheinen so weniger als Kunst denn als beliebige Ware in einem Geschäft; das Bild des Preisträgers Antonio Arias wurde auf einem Mappenschrank abgestellt. Auch hat die Galerie Jaeschke der Schau zwei ihrer Künstlerinnen mit rund 20 Skulpturen hinzugefügt, die mit dem Kunstpreis nichts zu tun haben. Fazit: Hier haben zwei Galerien zu Marketingzwecken selbst ihre Nachwuchskünstlerinnen ausgezeichnet.