Regine Nahrwold am 3. März 2008
Aischylos‘ Perser: erste Probe
Oha. Besser gesagt: Opopoi! Nach der ersten Probe – vielmehr: dem ersten Ausprobieren – der 500 versammelten Braunschweiger Perser am Freitag letzter Woche stellt sich mir nicht mehr die Frage, ob es mir schwer fallen wird, meinen Text zu lernen. Denn rund 100 Zeilen – das ist ja nicht die Welt, das werde ich wohl noch schaffen. Aber wenn ich auf die Partitur schaue, wird’s mir mulmig: Wie soll ich mir merken, welche Phrasen in welcher der 5 verschiedenen Tonhöhen (i, e, a, o, u) gesprochen werden sollen? Welches Wort wann wo wie akzentuiert oder geschrien wird? Wann eine Pause zwei oder drei Strich lang sein soll? Und wann überhaupt eine Pause kommt? Eine Melodie samt Text geht einem durch pure Wiederholung und Nachahmung irgendwann einfach in Fleisch und Blut über. Aber diese Skandierung setzt sich über den „natürlichen“ Sprachduktus der Verse hinweg, zerteilt oft die Sätze dort, wo eigentlich eine Zusammenhang besteht, verbindet dort, wo eigentlich eine Zäsur ist. Bürstet also die Verse des Aischylos – in der Übertragung von Peter Witzmann und Heiner Müller – gegen den Strich und auch gegen den Sinnzusammenhang. In den leicht irritierten Worten einer Frau neben mir: „Das sind doch keine ganzen Sätze!“
Vielleicht muss man es so sehen: Hier wird quasi durch die Brille der Moderne auf die Anfänge des Theaters zurückgeschaut. Denn es gibt ja in diesem Stück keine dramatische Handlung, kein erlebendes Subjekt, wie es unserer heutigen Vorstellung entspricht, sondern es werden mit starkem Pathos Verse deklamiert, in denen sich bestimmte Affekte widerspiegeln. Und zweitens liegt der Regisseurin, wenn ich sie richtig verstehe, auch daran, die theatralischen Mittel selbst, also Sprache und Bewegung, Zeit und Raum zum tragenden Element der Inszenierung zu machen und die Akteure zu EINEM großen, synchron atmenden, skandierenden, handelnden „Leib“ zu formen, und das eben durchaus auch „quer“ zum Versmaß.
Die Darbietung der 10 ChorführerInnen vermittelte einen Ahnung davon, wie man sich das Ganze im Resultat ungefähr vorzustellen hat – sehr beeindruckend und von wahrhaft archaischer Wucht! Ich bin weiter äußerst gespannt.