Regine Nahrwold am 23. Januar 2008
Film: Krieg und Frieden
Nach 10 Minuten Glotzen war mir sonnenklar, dass die Fernsehfassung von „Krieg und Frieden“ den Roman von Tolstoj auf das Format einer (ZDF-)Schmonzette flachschrumpft und damit zu den Dingen gehört, die die Welt nicht braucht – da hat’s denn auch ganz schön Verrisse gehagelt. Wer mal eine andere Natascha als Audrey Hepburn, einen anderen Fürsten Bolkonskij als Mel Ferrer, einen anderen Pierre als Henry Fonda sehen möchte, sollte sich die russische Verfilmung von Sergej Bondartschuk von 1965-67 anschauen. Sie ist sehr schön, weniger kitschig, bleibt dichter an der Romanvorlage und wurde seinerzeit mit 3 Oscars für den besten ausländischen Film ausgezeichnet. Dass sie hierzulande so sehr in Vergessenheit geraten ist, daran kann nur der Kalte Krieg und ihre enorme Länge schuld sein. Auf 4 DVDs ist sie erhältlich – da hätte das ZDF doch einen erstklassigen Mehrteiler draus machen und noch dazu jede Menge Geld sparen können! Eine sehr gründliche, kenntnisreiche Besprechung und die Beschreibung einer (typisch russischen) Schlüsselszene, die dem amerikanischen Film fehlt, findet man hier.
Ich für mein Teil hebe hier nur eine Szene der Schlacht von Borodino hervor, in der Fürst Bolkonskij mit großer Verwunderung die Granate betrachtet, die ihn im nächsten Moment tödlich verletzen wird, und denkt:“Was ist das? Ist das jetzt der Tod? Nein! Ich will nicht! Ich liebe doch das Leben! Das Gras! Das Wasser! Die Luft!“ (Ja, tatsächlich, das erscheint ihm in diesem Augenblick als die Essenz des Lebens: Gras, Wasser, Luft!) Und schon erhebt er – er? seine Seele? nun, auf jeden Fall: die Kamera – sich in die Höhe und schwebt im Gleitflug, außerhalb der Zeit, über die weite Landschaft…