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Regine Nahrwold am 15. Juni 2018:

Ausstellung „Out of Sasnak“ von Bjørn Melhus in der halle267

„Ist das ein Zauberglas?“ fragt das Mädchen staunend aus dem TV, als es den jungen Mann davor sehen und mit ihm sprechen kann. „Darin sieht man sich besser als in einer Wasserpfütze“. „Das Zauberglas“ von Bjørn Melhus. in dessen Arbeiten der Videoscreen zum Zauberglas und Spiegel wird, entstand 1991 und war sein persönlicher Befreiungsschlag, sein künstlerischer Nukleus. Anfangs drehte er Werbefilme, aber schon seit 1986 produziert er künstlerische Filme, Videos und Installationen. 1988 bis 1997 studierte er in der Film- und Videoklasse von Birgit Hein an der HBK Braunschweig, dann ging’s steil aufwärts: auf ein DAAD-Stipendium für Los Angeles folgte ein Atelierstipendium für New York als Preis des Kunstvereins Hannover. Melhus‘ Arbeiten wurden bereits in der Tate Modern in London, im MoMa New York und im Centre Pompidou in Paris gezeigt. Heute lebt und arbeitet der 52jährige in Berlin und ist Professor an der Kunsthochschule in Kassel. „Wir wollen in der städtischen Galerie Leute mit einer künstlerischen Biografie präsentieren, die sich nicht im Regionalen erschöpfen, sondern ein internationales Renommée haben“, so Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse.

In seiner Ausstellung „Out of Sasnak“ spannt Melhus mit acht Werken einen Bogen über 20 Jahre seines Schaffens, von „Weit, weit weg“ (1995) über die Meisterschülerarbeit „No sunshine“ bis zu „The Theory of Freedom“ (2015). Diese 3-Kanal-Videoinstallation hat hier ihre Deutschlandpremiere. Man erlebt Mr. Freedom und Mr. Independence, die sich vor trostloser Großstadtkulisse fit halten, und die gestrenge Randi, die über kranke Menschen die Peitsche schwingt und ihnen ihre Theorie über den freien Markt aufzwingt.

Das Material für seine Filme findet Melhus in Popkultur, Kinofilmen, Serien und TV-Shows, die er auf seine Kernrollen „eindampft“. Seine Videos üben Kritik an Kapitalismus, Neoliberalismus und Machtverhältnissen, sind aber immer auch schrille, schräge Märchen, oft traurig, aber auch mit Witz. In „The Theory of Freedom“ greift er kritisch den neuen Trend zur Religiosität auf unter Benutzung der Filme „Deep Impact“ und „Armageddon“, in denen jeweils die Erde vor einem auf sie zurasenden Planeten gerettet werden muss.

Am Anfang eines Films steht immer ein Archiv von Tonschnipseln, aus denen die Tonspur, zugleich das Drehbuch, entsteht. Darüber konkretisiert sich dann die Idee über das Visuelle in einem Storyboard. Alle Figuren, ob Mann, Frau oder Tier, verkörpert Melhus stets selbst: „Ich schlüpfe in die Stimme hinein wie in eine Hülle und fülle sie aus.“ Die Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft, die diese nicht nur konsumiert, sondern von ihnen auch geformt wird, macht der Künstler mit Mitteln wie Aufsplittung von Bild- und Tonebene, Fragmentierung und Dekonstruktion von Texten und Musik anschaulich.

Der Titel der Ausstellung lehnt sich an den Essay „Out of Kansas“ von Salman Rushdie an, in dem er den Film „The Wizard of Oz“ untersuchte. Dieser Film bildete 1995 auch die Basis zu Melhus‘ Video „Weit, weit weg“. Darin ist Sasnak – Kansas, rückwärts gelesen – ein fiktiver Ort in Deutschland, dargestellt in Bildern aus der Braunschweiger Weststadt und Wolfsburg-Westhagen, von dem die Reise in ein mediales Zauberland führt. Eine Reise, die der Künstler in den letzten 20 Jahren selbst zurückgelegt hat. Er ist in Oz angekommen. (Bis 15. Juli, halle 267, Hamburger Str. 267, Öffnungszeiten: Mo und Fr 15-18 Uhr, Do 15-20 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr; Begleitprogramm unter www.braunschweig.de/halle267)

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Regine Nahrwold am 14. Juni 2018:

Festival Theaterformen: Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs

Theaterstück von Milo Rau, Aufführung an der SCHAUBÜHNE/ Berlin/Januar 2016

Die Bühne: ein Müllhaufen, links ein Art Zeugenstand. Hier nimmt zunächst Consolate Sipérius Platz und erzählt, wie sie als Vierjährige in Burundi die Ermordung ihrer Eltern mit ansehen musste, bevor sie durch Vermittlung einer Firma – lauter afrikanische Kinder zum Aussuchen in einem IKEA-Katalog! – von einem belgischen Ehepaar adoptiert wurde. Dann Auftritt Ursina Lardi. Mit dem Foto des ertrunkenen syrischen Jungen Aylan – „Man kennt es, ohne es gesehen zu haben“ – beginnt sie ihren großen Monolog in „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“. Interviews mit NGO-Mitarbeitern und die Biografien der beiden Schauspielerinnen hat Autor und Regisseur Milo Rau in diesem Stück verarbeitet. Lardis Gesicht schwebt, von der Kamera in Echtzeit aufgenommen, über ihr auf einem großen Bildschirm. Ihr subtiles Spiel, ihre nuancenreiche Mimik erleben wir genau so wie die Schreckensbilder aus aller Welt: indirekt, medial vermittelt. Sie spielt die Hauptdarstellerin des Stücks; bei den Recherchen dafür, in europäischen Flüchtlingscamps und in Afrika, werden Erinnerungen an die zwei Jahre wach, die sie als Lehramtsstudentin im Kongo verbracht hat, zur Zeit des Völkermordes im benachbarten Ruanda. Was und wie sie erzählt – da stehen einem die Haare zu Berge: Im Kongo erlebte sie, welche Macht man dort als Weiße hat. „Das war schon mal eine sehr positive Erfahrung.“ Tausend NGO`s hätten sich um die Hutu-Flüchtlinge aus Ruanda, darunter die Schlächter, gestritten, das war schließlich ihr Absatzmarkt. Einen Mann kaufte sie für 950 Dollar frei und rettete ihm das Leben, aber als sie ihn Jahre später bei einem Galadinner wiedertrifft, kann der sich doch nicht mal mehr an diese Summe erinnern! Einen Workshop zur Friedenserziehung musste sie geben, unbedarft wie sie war: „Ich hatte bisher nur Kinder unterrichtet, und nun auf einmal Kongolesen!“ Unter die Haut geht der unerträglich laut anschwellende langsame Satz aus Beethovens 7. Sinfonie, in den sie vor Todesschreien flüchtete; ihre Katzen mochten diese ihre Lieblingsmusik, ja letztlich sogar ihre afrikanischen Freunde!

Theaterstück von Milo Rau, Aufführung an der SCHAUBÜHNE/ Berlin/Januar 2016

Lardis Reden strotzen nur so vor Arroganz, Selbstgefälligkeit und rassistischen Ressentiments. Und hält sie uns damit nicht den Spiegel vor, uns saturierten Wohlstandsbürger mit den Luxusproblemen, die wir es, ach, so gut meinen mit den Benachteiligten dieser Erde und doch nur helfen wollen? Aber unser Lebensstil, unsere Politik und Wirtschaft verursachen deren Probleme. „Am Ende sind alle nur Arschlöcher“ bilanziert Lardi. „ Am Ende kommt es darauf an, wer die Maschinengewehre hat.“ Mitleid kann sie nicht empfinden: „Hier zu weinen wäre wirklich das Allerletzte.“ Nach und nach offenbart sie, was sich als Trauma und Alptraum unter ihrem Zynismus verbirgt: Sie wurde gezwungen, eine kongolesische Freundin zu demütigen, auf sie zu urinieren.

Das Stück ist auch eine Reflexion über das Theater: Lardi ist eine Ödipus-Figur, die eigentlich das Gute will und dabei doch Schuld auf sich lädt. Und das Theater schlägt Kapital aus dem Leiden anderer, seien es die Flüchtlinge, die Juden oder die Gestalten der griechischen Tragödie. Durch Einbeziehung zweier Filme, Lars von Triers „Dogville“ und Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“, thematisiert Milo Rau auch die Möglichkeit der Rache der Opfer. Ein grandioser, ein erschütternder Theaterabend.

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Regine Nahrwold am 11. Juni 2018:

Ausstellung „Doing Things with Words“ im Kunstverein Braunschweig

Zu sehen gibt es in der Rotunde des „Salve Hospes“ nichts. Das Entrée in die neue Ausstellung des Kunstvereins, „Doing Things with Words“ kommt rein akustisch daher: Zu hören ist ein halblaut gemurmelter Monolog von Hanne Lippard (geb. 1984 in Großbritannien), die Sätze über Sprache in Bezug auf den eigenen Körper vor sich hin träumt. Fast alle Arbeiten der Ausstellung, einer Kooperation mit dem Festival „Theaterformen“, beschäftigen sich mit Sprache und Kommunikation. Ach, Ihr Bildenden Künstler, warum haltet Ihr Euch nicht an das Sichtbare? Doch die Grenzen zwischen den Kunstgattungen sind längst aufgelöst, und jetzt gibt’s mal wieder mehr für’s Ohr und für den Kopf als für’s Auge…

Lippard Serie „ahem“ besteht aus weißen Seidentüchern, bedruckt mit Silben, Lauten, Worten; sie schweben hauchzart und lichtdurchflutet vor den Fenstern. Das sieht sehr schön aus und ist diesen flüchtigen Sprachpartikeln angemessen. Christian Falsnaes (geb. 1980 in Kopenhagen) hat mit „First“ eine Studio-Situation installiert: Ein schwarzer Vorhang wird zur Bühne für den ersten Besucher jedes Tages, der sich hier vor einer Kamera produzieren und für 15 Minuten ein Star sein darf. Feiko Beckers Performances und Videos drehen sich um Gespräche und Möglichkeiten des Missverstehens; Dialogpartner sind er selbst und ein Freund, beide in (ebenfalls ausgestellten) Kostümen, die an die russische Avantgarde des 20. Jahrhunderts erinnern.

Kurze Phrasen wie LIKE, HEAR, ME, NO TIME, TO KNOW sind auf bunten Fahnen, Elementen einer Installation von Hassan Khan (geb. 1975 in London), zu lesen. Auch er ringt um Sprache in dem unscharfen Moment kurz vorm Bewusstwerden, versucht, etwas zu greifen, was sofort wieder entrinnt. Das wird in dem provisorischen Charakter des leichten Gebildes aus Holz, Keramik, Stahl, Glas, Textil und Licht anschaulich.

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Regine Nahrwold am 10. Juni 2018:

Konzert „The Sound of Museum“ im Herzog Anton Ulrich-Museum

„Kunst!!!“ Der Ausruf hallt im Treppenhaus und unter der Kuppel des ehrwürdigen Herzog Anton Ulrich-Museums wider. Kunst – was ist das eigentlich? Ein paar Antworten haben die Schauspieler Eike Onyambu, Hilal Cakir und Vanessa Ohlhoff gleich zu Anfang parat: eine Vermittlerin des Unaussprechlichen (Goethe), ziemlich nutzlos (O. Wilde), eine Erfahrung, nicht ein Objekt (R. Motherwell). Vor allem aber werden sie viele Fragen stellen bei „The Sound of Museum“, dem besonderen Konzert, das Regisseur Till Kleine-Möller und Dramaturgin Stefanie Fischer für das Junge Staatstheater Braunschweig ersonnen haben. Doch erst einmal geht es hinein in die Gemäldegalerie. Leise, ganz leise öffnet Eike die schwere Tür. Da erklingt im Hintergrund schon der erste Satz von Jean Sibelius‘ Streichquartett d moll, opus 56, „Voces intimae“ (innere Stimmen), großartig gespielt von Josef Ziga (1. Violine), Yun Ji Lee (2. Violine), Daniel Jerzewski (Viola) und Christian Bußmann (Violoncello). Mucksmäuschenstill und staunend wie Kinder, die an Heilig Abend das Weihnachtszimmer betreten, folgt das Publikum und lässt dabei die Blicke über die barocken Bilder schweifen. Und etwas Wunderbares geschieht: Unter dem übergreifenden Bogen der Musik, die der Komponist auf dem Weg von der Spätromantik zur Moderne 1908/09 während einer persönlichen Krise schuf, scheinen die Gemälde aus ihren Rahmen heraus- und in ein Miteinander einzutreten. Und zwischen Malerei und Musik entspinnt sich ein Zwiegespräch: deren melancholische Grundstimmung färbt auf die Bilder ab, während das Dramatische der dargestellten Geschichten die Streicherklänge erfasst. Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile!

Weiter geht die Diskussion zwischen Eike, der viel weiß, Hilal, der Ergriffenen, und Vanessa, der Widerspenstigen: Ist das Handyfoto eines Gemäldes nun auch Kunst? Wäre es Kunst, wenn Palma Giovane vor 500 Jahren nicht gemalt, sondern fotografiert hätte? Ist die Leistung der Musiker Kunst, obwohl sie das Streichquarett „nur“ nachspielen? Sind die Begleittexte zu den Bildern hilfreich oder Manipulation? Und wo bleibt mein persönliches Gefühl? Fragen über Fragen… Die vier Streicher wiederholen den ersten Satz, nun verteilt auf verschiedene Räume. „Nein, so geht das nicht!“ protestiert der Bratschist hinterher, „das ist keine Kunst, keine Einheit! Wir müssen uns doch verständigen können!“ Nächstes Experiment: Jeder soll sich ein Bild wählen und dazu spielen, was er empfindet. Vivaldi, Bachs Partiten für Geige und Cello solo sowie ein Violinkonzert von Mozart wirbeln wild durcheinander. „Vielleicht können wir uns auch mal von der Musik zu Kunst inspirieren lassen?“ Die Gäste erhalten Bleistift und Papier und zeichnen zum zweiten Satz des Streichquartetts. Erstaunlich viele machen mit, die Musik hat sie wohl dafür geöffnet. Vor dem Vermeer erklingt abschließend der dritte Satz, der Sibelius‘ innere Zerrissenheit widerspiegelt, und dieses Mal wird nur gelauscht.

Der Trialog zwischen den drei jungen Darstellern mag älteren, in Sachen Kunst gebildeten Menschen etwas trivial und zu didaktisch vorkommen, aber ihre Fragen sind wohl die, die junge Leute heute stellen, und an diese richtet sich das neue Format in erster Linie. Möge das gelingen!

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Regine Nahrwold am 10. Juni 2018:

Ausstellung „Glazed Rhythms“ im Kunstverein Wolfenbüttel

Ein Kristall funkelt aus nächtlichem Dunkel hervor, das Licht spielt gleißend auf seinen Zacken, die in alle Richtungen schießen. „Glazed Rhythms“, verglaste Rythmen – der Titel dieses Fotos, bildet auch die Überschrift über der Ausstellung seiner Schöpferin Johanna Daab im Kunstverein Wolfenbüttel. Ein Foto? Man zögert, die Arbeit so zu nennen, obwohl sie mit der Kamera entstanden ist. Denn das Abbilden der Realität, zumindest das Gegenüber eines realen Motivs, ist zwar nicht mehr ein unabdingbares, aber noch immer ein wesentliches Moment dieser künstlerischen Technik, die in Sachen Naturnachahmung seit ihrer Erfindung Anfang des 19. Jahrhunderts der Malerei den Rang ablief. Doch was hier aufgenommen wurde, ist nicht mehr erkennbar. Und es ist auch nicht mehr wichtig, so sehr wurden hier ein reales Objekt transformiert und schwebt nun im geheimnisvollen Zwischenreich zwischen Tag und Traum. Andere Bilder zeigen leuchtende, von einem Planetenreigen umkreiste Rauten, seltsame, tierisch anmutende Wesen, wolkig-blumige oder technoide Formen.

Johanna Daab (geb. 1978) arbeitet ausschließlich in Schwarzweiß mit einer analogen Kamera, entwickelt ihre Filme selbst und stellt die Abzüge im eigenen Fotolabor her. Aber was besagen da schon die nüchternen Begriffe „entwickeln“ und „abziehen“? Jeder Abzug ist das Ergebnis eines komplexen, langen und langsamen Prozesses und als solches ein unwiederholbares Unikat. Daab ist eine Alchimistin, die mit Licht, Film, Barytpapier und Chemikalien Verwandlung bewirkt. „Flash of appearence“ oder „rising star“ heißen zwei andere Aufnahmen. Lichtphänomene und die Weite des Weltalls klingen in diesen Titeln und den Bildern selbst an, auch Bewegung und Musik meint man zu vernehmen. Erinnerungen an experimentelle, surrealistische Bildwelten zu Anfang des 20. Jahrhunderts werden wach.

Die Fotoarbeiten in unterschiedlichsten Formaten sind auf türkisgrünen Wänden sehr sparsam gehängt, denn die Künstlerin wünscht sich, dass jede einzelne Raum für sich gewinnt und der Betrachter sie in Muße und Konzentration auf sich wirken lässt. So setzen ihre Aufnahmen auch Kontrapunkte gegen unsere beschleunigte Gegenwart und die heutige Überschwemmung mit digitalen Bildern.

Ihr Studium an der HBK Braunschweig hat Daab 2014 als Meisterschülerin von Dörte Eißfeldt abgeschlossen. Sie ist dieser Professorin dankbar, die ihren Studierenden alle Freiheit zur Entfaltung gelassen hat. Auch das hervorragend ausgestattete Fotolabor damals und die Fachleute, die mit Anregungen und Know how zur Seite standen, lobt sie sehr. „Wie toll das war, wurde mir erst richtig bewusst, als ich mein eigenes Labor eingerichtet habe.“ Längst ist sie selbst eine Meisterin ihres Fachs geworden und eine Künstlerin ganz im Sinne der Definition von Karl Kraus: „Nur der ist ein Künstler, der es versteht, aus seiner Lösung ein Rätsel zu machen.“

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Regine Nahrwold am 2. Juni 2018:

Ausstellung „Ohne Etikett fühle ich mich freier…“ im Herzog Anton Ulrich-Museum

Foto: Claus Cordes. Frei zur Veröffentlichung bei Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig.

„Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. Dieser Satz könnte als Motto über der Ausstellung stehen, die in der Reihe „Intervention – Raum für junge Kunst“ soeben im Herzog Anton Ulrich-Museum eröffnet wurde. Präsentiert werden Arbeiten aus der Sammlung Reydan Weiss. Die in Istanbul geborene Sammlerin wuchs in Jordanien sowie Jerusalem auf, studierte in Deutschland und lebt heute in Neuseeland, Deutschland und der Türkei. Aus ihrer Biographie resultiert ein grenzüberschreitender Blick für Kunst, der sich in Erwerbungen namhafter Künstler wie Cindy Sherman und Gerhard Richter spiegelt sowie in neuen Werken aus Kuba, Chile oder Australien und den verschiedensten Kunstgattungen. Aus 850 Arbeiten von rund 150 Künstlern hat Kurator Sven Nommensen für die Ausstellung „Ohne Etikett fühle ich mich freier…“ Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Objekte und ein Video von sechzehn Künstlern ausgewählt. All diese Werke weisen einen engen Bezug zu Kunstkammer-Objekten des Museums auf und drehen sich um das Thema Tod und Vergänglichkeit. Und: Die meisten von ihnen sind so kunstvoll, dass man sagen kann, sie vollenden, was die Natur begann.

Foto: Claus Cordes. Frei zur Veröffentlichung bei Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig.

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Regine Nahrwold am 25. Mai 2018:

Guido Knopp mit „Meine Geschichte“ in der Buchhandlung Graff

Was hat man „Mister History“ nicht alles vorgeworfen: Ungenauigkeit, Stümperei, Populismus, Doku-, Histo-, ja Hitlertainment und sogar „Geschichtspornografie“. Die Historiker der akademischen Zunft rümpfen die Nase über Guido Knopp, den Oberlehrer für Geschichte im Deutschen Fernsehen. In der Tat: Differenzierung ist seine Sache nicht, er ist ein großer Vereinfacher, der mehr Antworten gibt als er Fragen stellt. Welcher ernsthafte Historiker würde sich je anmaßen, vollmundig „Die Wahrheit über Auschwitz“ zu verkünden? Knopp hat es getan. Viel Unseriöses ist ihm, vor allem seinen Sendungen zum Nationalsozialismus, anzukreiden: die Fixierung auf Hitler, die willkürliche Auswahl und Zusammenstellung historischer Filmszenen, die pathetische Sprache der Kommentare, die emotional aufgeladene Musik, die Dämonisierung der Nazigrößen, die nachträgliche Kolorierung historischer Fotos und die von ihm eingeführten „szenischen Zitate“, von Schauspielern nachgestellte historische Szenen. Dies alles zielt mehr darauf ab, die Zuschauer in den Bann einer spannenden Story zu ziehen, als auf Aufklärung und kritische Distanz. Doch anzuerkennen ist auch: Knopp erreichte mit seinen Produktionen zur besten Sendezeit ein Millionenpublikum, viele seiner Bücher wurden Bestseller. Die „tageszeitung“ konstatierte anlässlich seines 70. Geburtstags die Schlichtheit seiner Botschaften: Nazis, Antisemi­tismus, Holocaust, eine Mauer zwischen Staaten bauen – alles schlecht. „Aber kann es – wenn man sich mal umschaut – eigentlich genug Leute geben, die diese simplen Botschaften den Menschen in die Hirne hämmern?“ (taz vom 29. 1. 2018) Den ganzen Beitrag lesen »

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Regine Nahrwold am 17. Mai 2018:

Ausstellung „Credo. Lebensentwürfe“ von Klaus G. Kohn in der Brüdernkirche

Blick in die Ausstellung ‚Credo‘ im Kreuzgang der Brüdernkirche.

Die robuste Frau in mit Stickern übersäter Jeansweste, mit Cap und blaugelbem Schal –  der Eintracht-Fan. Die alten Damen in Dunkelblau, mit weißem Kragen und Häubchen, das Kreuz auf der Brust – die Diakonissen. Die Männer in schwarzer Lederkleidung, einander zärtlich zugewandt – zwei Schwule. Der Bärtige im blütenweißen Gewand, mit der Taqiyah auf dem Kopf – der Imam.

Das Mädchen mit schwarzer Lockenperücke im rosa Prinzessinenkleid – die Cosplayerin. Der junge Mann mit nacktem, von Muskeln nur so strotzendem Oberkörper – der Bodybuilder.

Diese sowie elf weitere Portraits sind in der Ausstellung „Credo. Lebensentwürfe“ des Braunschweiger Fotografen Klaus G. Kohn im Kreuzgang der Brüdernkirche zu sehen. Dunkel ist es hier, denn die auf einen besonderen, lichtdurchlässigen Stoff abgezogenen Farbaufnahmen sind in die verschlossenen Fenster des Kreuzgangs hineinmontiert. Von hinten angestrahlt, scheinen die großen (2,70 x 2 m), weit oben angebrachten Fotografien aus sich selbst heraus in großer Farbintensität zu leuchten, gewinnen eine starke Präsens. Mit ihrer Aura von Licht erinnern sie an die Glasfenster einer gotischen Kathedrale. Schon beim Betreten des Kreuzgangs ist man von dieser Präsentation sofort gebannt. Doch keine Heiligen haben hier Platz gefunden, sondern Menschen von heute, Individuen, die vor der Kamera posieren in einer Aufmachung, die sie als Ausdruck ihrer Identität, ihres Lebensentwurfs verstehen. Zugleich repräsentieren sie als Typen verschiedene Facetten unserer pluralistischen Gesellschaft, zumal Namen und weitere Informationen zu den Personen fehlen. Das Zeitgenössisch-Gegenwärtige ihrer Erscheinung bildet einen reizvollen Kontrast zur umgebenden mittelalterlichen, sakralen Architektur.

Der Künstler hat für die Aufnahmen bestimmte Parameter festgelegt: Format, schwarzer Hintergrund, Halbfigur in Frontale oder Dreiviertelansicht – das alles bleibt über die ganze Serie hinweg unverändert. In diesem strengen Rahmen aber entfaltet sich eine faszinierende lebendige Vielfalt an Gesichtern, Outfits und persönlichem Habitus – ein bewährtes Prinzip, das bereits in den 1920er Jahren in den Berufsbildern von August Sander oder später in Bildnissen von Richard Avedon zu finden und heute allgegenwärtig ist.

Doch wie steht es um den Titel der Ausstellung? Verkörpern all diese Menschen bzw. ihre Portraits wirklich ein Glaubensbekenntnis, wie es das Wort „Credo“ nahe legt? Den Diakonissen, dem Prior eines Klosters, dem Imam, auch den Freimaurern nimmt man ab, dass sie ihr Leben in den Dienst einer umfassenden, höheren Idee gestellt haben. Die Rocker, die Betreiberinnen eines Tattoo-Studios, der Punker und das Mitglied einer schlagenden Verbindung in vollem Wichs dagegen vertreten wohl eher eine sehr spezielle, extreme Vorliebe, eine Gruppenzugehörigkeit oder gar Ideologie als einen Lebensentwurf. Doch vielleicht ist ja gerade das ein typisches Phänomen unserer Gegenwart: dass – wie es der Veranstalter, die Landeskirche Braunschweig, im Folder zur Ausstellung formuliert – die in der Reformation gründende Freiheit des Einzelnen heute viele Gesichter hat, individuelle Biographien ermöglicht und von allen gleichermaßen Toleranz erfordert?  (Bis 14. Juni, Kreuzgang der Brüdernkirche, Schützenstr. 22, Öffnungszeiten: Di-So, 13-19 Uhr)

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Regine Nahrwold am 9. Mai 2018:

Buchvorstellung „Narrenbäume“ von Wilhelm W. Reinke bei Graff

„Wer einen Baum pflanzt, wird den Himmel gewinnen“ soll Konfuzius einst gesagt haben. Wie wahr dieser Satz ist, zeigt das Buch „Narrenbäume“ von Wilhelm W. Reinke, das dieser am Donnerstag Abend in der Buchhandlung Graff vorstellte: 75 Bäume samt Himmel darüber hat der Braunschweiger Fotograf in fünf Jahren in aller Welt gewonnen: beeindruckende Schwarzweißaufnahmen von knorzigen deutschen Eichen und 2500 Jahre alten sardischen Oliven, italienischen Zypressen, spanischen Pinien, balinesischen Mangroven, kalifornischen Riesenmammutbäumen und madegassischen Baobabs, von denen die Legende besagt, Gott habe sie verkehrt herum in die Erde gesteckt. Ob kahl, belaubt oder in voller Blütenpracht – sie alle sind gewaltige, ja Ehrfurcht gebietende Lebewesen. „Narrenbäume“ hat Reinke sie genannt, nach einem Bild aus dem 15. Jahrhundert, wo die Narren von den Bäumen geschüttelt werden. Der Narr – sowohl der Törichte als auch der Hofnarr, der unbequeme Wahrheiten ausspricht – das ist natürlich der Mensch, der seit Jahrhunderten „den Ast absägt, auf dem er sitzt, um daraus einen Stuhl anzufertigen“. Und so hat Reinke ihn in seine Bilder einbezogen in Gestalt von Akten, die mit den Bäumen agieren. Das ist nicht immer ganz gelungen, vor allem dort nicht, wo sich schöne, junge Frauen in etwas gestellten, zu erotisch anmutenden Posen in die Natur drapieren. Anrührend ist es aber immer da, wo die Menschen in kreatürlicher Nacktheit verletzlich und Schutz suchend wirken, sich an einen Ast  anschmiegen oder in einen hohlen Stamm hineinkauern. Und wenn sie in der umgebenden Natur klein und gering erscheinen wie in einem barocken Landschaftsgemälde des Holländers Jacob van Ruisdael, etwa auf dem Titelbild des Buches: Dort stehen Mann und Frau wie Adam und Eva winzig unter einem riesigen, uralten Drachenbaum auf Teneriffa, geborgen in einer kosmischen Natur, die wir seit langem gnadenlos zerstören.

Reinke sprach vor allem vom „Making of“ des Buches. Seine Fotoausrüstung bestand aus Polaroid, Handy, Kleinbild- und Mittelformatkamera, letztere – für die Hauptaufnahmen – erzeugt Bilder von 28 Millionen Pixeln. Fotografiert wurde – nach langer, intensiver Vorarbeit – mit dem Studioblitzgerät stets am frühen Morgen, denn er wollte Lichtflecken im Bild unbedingt vermeiden. Das hieß: in der Dämmerung blieben für die Aufnahme nur die fünf bis zehn Minuten kurz vor  Sonnenaufgang. Das Scharfstellen im Dunkeln war dabei die größte Herausforderung. Seinen Vortrag würzte der Künstler mit zahlreichen Anekdoten von den Störfaktoren. Abgesehen von Kälte, Regen und Mücken waren das etwa andere Frühaufsteher, die verwundert fragten, ob hier ein Pornofilm gedreht wird, oder, auf Bali, Affen, die von den höchsten Wipfeln fröhlich ihren Kot fallen ließen. Bereits ausgewählte Bäume waren inzwischen gefällt oder plötzlich von Wasser umgeben. Modelle erkrankten oder plumpsten vom Baum herab mitten in die Brennnesseln. Zwischendurch rezitierte Reinke Baum-Gedichte von Goethe, Hebbel, von Arnim, Rilke, Fontane und Brecht. Das ergab eine Spanne vom Trivialsten bis hinauf zum Kunstschönen – sehr unterhaltsam. In diesem Jahr sind die „Narrenbäume“ in Leipzig und Berlin zu sehen. Auf die Ausstellung 2019 in der Prüsse-Stifung und im Schulgarten am Dowesee in Braunschweig können wir uns freuen!

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Regine Nahrwold am 4. April 2018:

Ausstellung „Immer dienstags ist Treffen zum Aktzeichnen“ im Torhaus des Botanischen Gartens

Werner Krämer

„Immer dienstags ist Treffen zum Aktzeichnen“, und zwar im Atelier des Malers und Graphikers Manfred Fischer für eine Gruppe von kunstbegeisterten Freunden, die aus verschiedensten Gründen gerne zeichnen. Künstler und Kunsterzieher sind dabei, Architekten, Lehrer und eine Reqisiteurin am Staatstheater. Seit zehn Jahren existiert die Gruppe, einige sind schon sehr lange dabei, andere erst ein halbes Jahr. Nun zeigen sie eine kleine Auswahl ihrer Ergebnisse im Torhaus des Botanischen Gartens.

Das Aktzeichnen wurde in der Renaissance „erfunden“, als die Künstler, inspiriert von der wieder aufgefundenen antiken Skulptur, die Schönheit des nackten menschlichen Körpers entdeckten. Das Studium der Anatomie und das Zeichnen der menschlichen Gestalt diente damals der Vorbereitung von Gemälden, vor allem von Historienbildern. Ihre Figuren sollten „richtig“ sein und lebensecht ihre Rolle im dramatischen Geschehen „spielen“, um die Herzen der Betrachter zu rühren. Um 1900 etwa wurde der Akt schließlich zu einer autonomen Bildgattung.

Rainer Nötzold

Welch faszinierende Vielfalt auf diesem Gebiet möglich ist, das ist in der Ausstellung auf das Schönste zu erleben: mit Bleistift, Kreide, Rötel, Tusche und Aquarell, auf großen Bogen Papier oder in kleinen Skizzenbüchern, stehend, sitzend, liegend, nackt oder bekleidet – die menschliche Gestalt ist ein unerschöpflicher Gegenstand. Ebenso weit gefasst sind die Möglichkeiten der Zeichenweise und der künstlerischen Auffassung: Eine naturalistische Rötel-Studie von Rainer Nötzold umreisst mit Linien unterschiedlicher Strichstärke und kräftigen Schaffuren sehr plastisch den fülligen Körper einer Frau. Helge Karnagel dagegen spinnt die Figur mal in ein feines Liniennetz ein, das sie fast überwuchert; dann wieder tritt sie aus einem das ganze Blatt überspannenden Gewebe von Farbflecken heraus.

Christina Kersten

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