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Regine Nahrwold am 5. Oktober 2018:

Film „Wackersdorf“ von Oliver Haffner im Kino „Universum“

„Sie, Herr Landrat, kann mit dem Atom da auch wirklich nix passieren? Und wenn mal was explodiert?“ Mit diesen Fragen wendet sich auf einem Volksfest eine besorgte Frau an Landrat Schuierer. Iwo, antwortet der, bald sei Atomkraft so selbstverständlich wie die Eisenbahn, zu der es anfangs ja auch jede Menge Bedenken gegeben habe. Schuierer (Johannes Zeiler) ist begeistert von der geplanten Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, soll sie doch seinem strukturschwachen Landkreis Schwandorf in der Oberpfalz 3000 Arbeitsplätze bescheren. Da hatten der bayerische Umweltminister (Sigi Zimmerschied) und Dr. Billinger vom Bauunternehmen (Fabian Hinrichs) leichtes Spiel mit ihm. Doch Schuierer muss sich eingestehen: Von Atomkraft hat er keine Ahnung. Und so sucht er verstohlen in der Stadtbibliothek nach Fachliteratur. Seine Zweifel wachsen. Die widerrechtliche Beseitigung – auf Anweisung der Landesregierung – eines hölzernen Turms, den WAA-Gegner auf dem Baugelände errichtet haben, bringt die Wende: „Wie bei den Nazis!“ konstatiert Schuirer entgeistert und verkündet seinen Mitarbeitern: „Solange ich noch Zweifel habe, werde ich nichts unterschreiben.“

Schuierers Entwicklung vom Befürworter zu einem der führenden Gegner der WAA steht im Fokus des Spielfilms „Wackersdorf“, der die Geschehnisse im Vorfeld des Baubeginns und den wachsenden Widerstand gegen die WAA Anfang der 1980er Jahre wieder aufleben lässt. Am Samstag ist er im Kino Universum im Beisein des Regisseurs Oliver Haffner angelaufen.

Mit dem Druckmittel der Unterschriftsverweigerung ist es bald Essig: Auf Betreiben des neuen Staatssekretärs (Frederic Linkemann) erlässt die bayerische Landesregierung die (nur einmal angewandte, aber bis heute bestehende!) „Lex Schuierer“, wonach die Unterschrift des Landrats nicht mehr erforderlich ist. Schuierer hat bald das erste Disziplinarverfahren am Hals und sieht mit Ende 50 seine berufliche Zukunft und bürgerlichen Sicherheiten bedroht. Trotzdem kämpft er weiter und rauft sich sogar mit der aufmüpfigen Monika Gegenfurtner (Anna Maria Sturm), der treibenden Kraft der Bürgerinitiative, zusammen. Dokumentaraufnahmen zeigen, wie massiv die Polizei damals gegen die WAA-Gegner zu Felde zog. Mit alten Nachrichten über den GAU in Tschernobyl und seine weitreichenden Folgen für die Umwelt endet der Film.

Was ihn, Jahrgang 1974, zu dem Film bewegt habe, lautet die erste Frage an Oliver Haffner. Er sei in Bayern und München in der von Franz Josef Strauß geprägten Atmosphäre aufgewachsen, seine ältere Schwester habe auch gegen die WAA gekämpft. Fukushima und der Ausstieg aus der Atomenergie hätten ihn ebenfalls motiviert, antwortet der Regisseur. „Ich wollte einen Film über die Zivilgesellschaft und das Demokratieverständnis machen, der Mut und Kraft zum Handeln gibt. Nach dem neuen bayerischen Polizeigesetz wäre ein solcher Widerstand heute gar nicht mehr möglich, Sie würden schon verhaftet, bevor Sie zu Hause aus dem Bett aufgestanden sind.“ Diese Ermutigung können wir brauchen (Hambacher Forst, niedersächsisches Polizeigesetz)! Auch ein Film über seine Heimat Bayern sollte es sein, die vielfältig sei und nicht nur das Bundesland der CSU. Der Bau der WAA sei schließlich aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt worden, da die Franzosen die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennstäbe günstiger anbieten konnten. Doch zur Unrentabilität der WAA hätten die Gegner sehr viel beigetragen, insofern sei das letztlich auch ihr Erfolg.

Obwohl die Grenzen zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ ein wenig zu klar verlaufen, ein sehr sehenswerter Film mit einem hervorragenden Johannes Zeiler in der Hauptrolle. Erfolg ist ihm auf ganzer Linie zu wünschen!

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Regine Nahrwold am 4. Oktober 2018:

Ausstellung „Between Continuum“ von Jitka Hanzlová im Museum für Photographie Braunschweig

Aus der Serie Horse (2007-2014)

Sanft, fast demütig hält das Pferd den Kopf gesenkt, den Hals im Bogen gespannt. Und es ist weiß, so weiß… Sogar die langen Wimpern haben diese Farbe. Ein anderes Bild geht ganz nah an das Ohr des Tieres heran, jedes der weichen Haare im Inneren zeichnet sich vor dem Himmel ab. „Pferde waren mir immer wichtig“, erzählt Jitka Hanzlová auf dem Presserundgang. „Als Kind wollte ich unbedingt eins haben, aber Reiten war in der CSSR als aristokratisch verpönt. Mit 15 Jahren bekam ich dann die Gelegenheit, in einem Pferdestall als Pflegerin zu arbeiten. Da war ich dann immer mit 13 Pferden allein. Ich habe geschwiegen und die Körpersprache der Pferde wahrgenommen. Irgendwann habe ich dann begonnen, die Menschen so zu beobachten, wie ich die Pferde beobachtet habe, ihre Körpersprache.“ Horse (2007-2014) ist eine der vier Serien der in Essen lebende Fotografin, die nun unter dem Titel „Between Continuum“ im Museum für Photographie Braunschweig zu sehen sind.

Hanzlová wuchs im Dorf Rokytník in Ostböhmen auf. 1982 floh sie aus der Tschechoslowakei/CSSR nach Deutschland und studierte von 1987 bis 1994 Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Fotografie an der Universität-Gesamthochschule Essen. Kurz nach 1990 kehrte sie erstmals nach Rokytník zurück und begann dort ein Langzeitprojekt, das 1994 zu ihrer Diplomarbeit wurde. Von 2005 bis 2007 hatte Hanzlová eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg inne, seit 2012 ist sie Gastprofessorin an der Zürcher Hochschule der Künste.

In Rokytník, jenem ersten, inzwischen berühmten Langzeitprojekt (1990-1994), hat die Künstlerin Eindrücke aus ihrem Heimatdorf aufgenommen: Menschen, Tiere, Kinder, Wäsche auf der Leine, ein Haus im Schnee; ein Junge tanzt auf der Wiese mit einem Schaf. Mit zärtlichem Blick hat sie durch die (analoge) Kamera ein unsentimentales Idyll erschaut und Bilder in weichen, etwas verwaschenen Farben geschaffen. Zu der Serie wird hier erstmals ein ebenfalls damals entstandener Film gezeigt. „Ich gehe zurück zur Vergangenheit, um in die Zukunft zu schauen“ lautet ein viel zitierter Satz von Hanzlová, und sie ergänzt ihn: „Man muss erst einen Bruch mit der eigenen Vergangenheit vollziehen, eine Distanz zu ihr finden, um sie dann wieder neu entdecken. Wenn man zurückkehrt, ist das fast wie ein Konflikt.“

Die Bilder der Folge Forest (2004–2006) sind keine realistisch-abbildenden Aufnahmen vom Wald, sondern traumartige, meist nächtlich-dunkle Bilder von großer poetischer Kraft. „Sie kommen aus dem tiefen Inneren, so wie von einer Hand, die in einem Handschuh steckt“, schrieb der Kunstschriftsteller John Berger dazu. Auf die Frage, ob es eine Beziehung ihrer Fotografie zur Malerei gebe, antwortet Hanzlová: „Das müssen die Kunsthistoriker sagen. Ich selbst gehe nie von Bildern aus. Es gibt ein wunderbares Buch von Alfred Renger-Patzsch über Bäume, das schönste Buch, das ich kenne. Das habe ich damals immer wieder angesehen. Aber irgendwann habe ich es weggelegt und den Weg zu den Bildern in meinem eigenen Inneren gefunden.“ Der Anblick einer alten Birke im Mondschein war der Auslöser dafür.

Und schließlich die Reihe Vanitas: Vor schwarzem Grund erscheinen wie farbige, fragile Skulpturen einzelne verwelkende Blüten, direkt von vorn oder von oben aufgenommen: ein von Samenfäden umschwirrter Löwenzahn, eine aufgebrochene Sonnenblume, eine vertrocknete Hortensie… Mittendrin eine Spinne, deren Faden seit alters ein Symbol für die verrinnende Zeit ist. Inmitten des Verfalls offenbaren die Blumen eine ganz eigene Schönheit – „Between Continuum“.

Toll, dass es dem Museum für Photographie gelungen ist, diese große Künstlerin für eine Ausstellung in Braunschweig zu gewinnen! (Bis 2.12. Museum für Photographie Braunschweig, Helmstedter Straße. Öffnungszeiten: Di-Fr 13-18 Uhr, Sa + So 11-18 Uhr. Dazu wird ein umfangreiches Begleitprogramm geboten. Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit der Städtischen Galerie Wolfsburg, wo weitere Arbeiten von Jitka Hanzlová gezeigt werden. u.a. Portraits.)

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Regine Nahrwold am 21. September 2018:

Ausstellung „Kreuzgang“ von Wolf Menzel im Altstadtrathaus

Das 2 Meter hohe, 6 Meter lange Gemälde zeigt eine Zimmerwand mit gemusterter Tapete. Darauf „hängen“, als Trompe-l’œil gemalt, Bildzitate aus Geschichte, Fotografie, Film und Malerei der Zwanziger Jahre. Es beginnt mit der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann und der Ausrufung der freien sozialistischen Republik durch Karl Liebknecht, beide Ereignisse fielen am 9. November 1918 zusammen. Es folgen unter anderem Bilder von Lotte Laserstein, Käthe Kollwitz, George Grosz; zum Abschluss ein Foto von Otto Wels bei seiner Rede gegen das Ermächtigungsgesetz 1933. Unten kriecht – vielleicht von frühen Stummfilmen inspiriert – unheilvoll ein schwarzer, sich immer weiter aufrichtender Schatten heran, um endlich als Adolf Hitler vor einer geöffneten Tür zu stehen. (Warum nur betrachtet er ein Ei in seiner Hand?)

Das Gemälde ist Teil des Projekts „Kreuzgang: Vom Suchen und Finden der Deutschen“, an dem der Maler Wolf Menzel seit November 2014 arbeitet. Menzel, der sich selbst „Bildermacher“ nennt, lebt und arbeitet seit den 1980er Jahren in Braunschweig, wo er seit 2010 Kunst- und Kulturprojekte im öffentlichen Raum entwickelt. Eine ähnliche Bildcollage wie hier hatte er bereits zum Jubiläumsjahr 2013 gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Seidel geschaffen. Sein Bilderzyklus „Kreuzgang“ behandelt in vier Bildwänden die deutsche Geschichte von der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus und das geteilte Deutschland bis zur Gegenwart nach der Wiedervereinigung. Geplant ist offenbar, die vier Teile zu einem Innenraum zusammenzusetzen, der den Betrachter wie ein Panorama umgibt. Und warum heißt das Ganze „Kreuzgang“? Dazu der „Bildermacher“ selbst: „Ein Kreuzgang ist ein baulicher Teil eines Klosters, einst ein Ort des Lernens, des Lehrens und der Einkehr. Der Kreuzgang jedoch beschreibt die Gangart eines jeden landlebenden Wirbeltiers. Zusammengefasst bilden beide Erklärungsmodelle für mich die Essenz vom Suchen und Finden, der Bewegung im Aufbruch, des Lernens, der Einkehr und der daraus abzuleitenden Lehre.“

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Regine Nahrwold am 18. September 2018:

Konzert: Neue Chormusik in St. Aegidien

„Anschaulich, bildhaft, ja illustrativ sind die Orgelstücke von Olivier Messiaen. Außerdem war Messiaen Synästhet, der bei Klängen Farben gesehen und bei Farben Klänge gehört hat“, erläutert Kantor Bernhard Schneider zu Beginn des Konzerts am Samstag Abend im Chor von St. Aegidien. Es bildete den Auftakt zum Festival „Antiphonale – Neue Musik in der Kirche“, veranstaltet vom Verein „Freunde Neuer Musik Braunschweig“ unter der künstlerischen Leitung von Vlady Bystrov. Neben neuer Chormusik standen auch Orgelwerke des französischen Komponisten (1908-1972), der 1991 mit dem Louis Spohr-Preis der Stadt Braunschweig geehrt wurde, auf dem Programm, fein differenziert gespielt von Schneider selbst. Im atonalen Stück „Apparition de l’Eglise Éternelle“ (Erscheinung der ewigen Kirche) erklingen in den Höhen clusterartige Akkorde, während das Pedal in den Tiefen die wuchtigen Steinquader hörbar macht. „Le banquet céleste“ (Das himmlische Gastmahl) ist nichts anderes als die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, eine Kette von vereinzelten Tönen im koloristischen Gesamtklang stellt hier die Blutstropfen dar. In „Le verbe“ (Das Wort) funkelt zu Anfang der Morgenstern, ehe das Wort Gottes sich herabsenkt, die Menschen zunächst in Verwirrung stürzt und sich dann in einer meditativ schwebenden Melodie ausbreitet. In „Les Anges“ schließlich lassen die Engel ihre Stimmen als munteres Vogelkonzert ertönen.

Mit „In Silence“ gelangte die erste von zwei Kompositionen der Estin Helena Tulve zur Aufführung, die auch anwesend war. (Als „Composer in Residence“ dieses Jahres widmete ihr das Festival ein Komponistinnenportrait.) Das Stück ist ein Dialog zwischen Männerstimmen und einer Improvisation für Saxophon (eigentlich Trompete), ausgeführt von Vlady Bystrov. Dessen  souveränen, expressiven Spiel war der Chor mit seinem anspruchsvollen unisono-Part – mal chromatische Linien, mal große Sprünge – allerdings kein gleichwertiger Partner.

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Regine Nahrwold am 12. September 2018:

Ausstellung „Somewhere Safer“ von Camille Blatrix in der Remise des Kunstvereins

Dass zeitgenössische Kunst in nahezu leeren Räumen präsentiert wird, daran ist man ja seit langem gewöhnt. Aber so leer wie bei der Installation „Somewhere Safer“ von Camille Blatrix war, scheint’s, die Remise des Kunstvereins schon lange nicht mehr. „Somewhere Safer“ ist die erste institutionelle Einzelausstellung des 1984 in Paris geborenen Künstlers, der an der École nationale supérieur des beaux-artes de Paris studierte und dessen Arbeiten schon in Paris, San Francisco, New York und Zürich gezeigt wurden. Während im Haupthaus des „Salve Hospes“ sinnliche Malerei – bunt und plakativ von Ida Ekblad, in feinen gebrochenen Nuancen von Leda Bourgogne – zu sehen ist, präsentiert Blatrix im Nebengebäude – eine konzeptuelle Kopfgeburt. Doch der Reihe nach.

Zunächst die Bestandsaufnahme: Was ist zu sehen? Der kleine Durchgangsflur der Remise ist mit grünem, von Mahagoni-Leisten eingefasstem Teppichboden ausgelegt; ein Spiegel hängt dort, auf die Innenseiten des Rahmens sind brennende Kerzen gemalt. Im Hauptraum eine „Mauer“ aus drei neuen, verschlossenen Pappkartons; dahinter ein kunstvolles skulpturales Objekt aus Holz und Kunststoff, das mich an einen großen Schuhlöffel oder auch einen Ski erinnert; an einem Ende ist ein winziger Strauß vertrockneter Kornähren angebracht. An der Wand daneben hängt ein Intarsien-Bild, auf dem das Wort AND zu lesen ist. Die Fensterrahmen dieser Wand sind samt Griffen in den matten Naturfarben Braun und Beige übermalt. An der Wand gegenüber hängt ein weiteres sehr ästhetisches Objekt, eine Art Zwitter zwischen Blume und Propeller, dem mit lautem, den ganze Raum füllendem Zischen Luft entströmt. Zudem ertönt leise Musik aus dem dritten, verschlossenen Zimmer des Gebäudes. Geht man außen herum, sieht man: Das Fenster zu diesem Raum ist mit einem Mahagoni-Brett vernagelt, und die Scheiben sind mit spiegelnder Folie überzogen. Die Musik – Whitney Houstons Schmachtfetzen „I will always love you“ – ist hier draußen laut und deutlich zu vernehmen.

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Regine Nahrwold am 24. August 2018:

Ausstellung „Idee – Abdruck“ in der Jakob Kemenate

„Das Tolle an der Kunst ist: Man kann sich auf einem Gebiet semiprofessionell betätigen und die Dinge aus einer anderen Perspektive wahrnehmen“, sagt Christof Mascher. Der Künstler (geb. 1979) studierte an der Fachhochschule Hannvoer sowie an der HBK Braunschweig und schloss als Meisterschüler von Walter Dahn ab. Zusammen mit Judith Dilchert, Hans Wesker und Clemens von Reusner erhielt er im vergangenen Jahr eins der drei Stipendien „Idee“ und „Abdruck“, die die Braunschweigische Stiftung schon zum dritten Mal an bildende Künstler aus der Region vergab. Ihre Ergebnisse präsentierten die vier am letzten Wochenende in einer Ausstellung in der Jakob Kemenate, kuratiert von der Kunsthistorikerin Anne Mueller von der Haegen. Marcus Körber, Kurator an der Städtische Galerie Wolfsburg, sprach in einem „Artist Talk“ mit den Künstlern über ihre Arbeit und ihre Vorhaben.

Mascher ist ein Hans Dampf in vielen Gassen: Malerei, Zeichnung, Keramik, Teppichknüpferei. Er liebt es, sich treiben zu lassen, zu spielen, zu experimentieren und aus Fehlern kreatives Kapital zu schlagen. Dazu gab ihm das Werkstipendium „Abdruck“, das in Kooperation mit der Städtischen Galerie Wolfsburg verliehen wird, reichlich Gelegenheit: Er hat sich in der Druckwerkstatt im Schloss Wolfsburg erstmals mit der Lithographie auseinandergesetzt und dabei auch die Tücken dieser komplexen Technik kennengelernt. Es sind ihm gute Drucke von der Steinplatte gelungen, träumerisch-surreale Motive in knalligen Farben, die an seine Malerei und seine Aquarelle anknüpfen. Zudem entwarf er die Marke „Castle cat’s cask“, eine Schlosskatze, die auf T-Shirts und einer Whiskey-Edition prangt.

Von ihrer nie nachlassenden Lust, Dinge zu entdecken, sprach die Bildhauerin Judith Dilchert (geb. 1984). Sie studierte an der HBK Braunschweig zuerst freie Kunst bei Bogomir Ecker, dann Kunstpädagogik. Kunst, Forschung und Vermittlung sind für sie untrennbar miteinander verbunden. „Ich laufe durch die Welt und nehme Formen auf, alltägliche Dinge, aber auch solche, die mir meine Schüler zeigen.“ Von ihrer Entdeckerlust zeugt vor allem ein Ensemble kleiner, drall-dynamischer, aus Luftballons gewonnener Gipsformen, das sie als ihr Skizzenbuch bezeichnet. Und es ist auch eine Lust, diese Familie verwandter Individuen Stück für Stück mit dem Auge abzutasten. Wie wichtig Dilchert Körperliches, Materialität und Oberflächen sind, beweist eine große Arbeit, die aus ihrem Skizzenbuch hervorgegangen sein mag. Sie erinnert an ein Molekül, einen Knochen, eine Hantel. Lange hat die Künstlerin an der Oberfläche geforscht, dabei sogar an Karamell gedacht. Entschieden hat sie sich schließlich für ein schwarzes Material, das feine Falten schlägt und an Haut erinnert.

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Regine Nahrwold am 23. August 2018:

Ausstellung „Surviving the FItness“ im Kunstverein Wolfenbüttel

Chris Becher

COME CLOSER – folgt man dieser Aufforderung eines Leuchtkastens im Schaufenster des Kunstvereins Wolfenbüttel, blitzt es, die Fensterfront wird erhellt und zugleich mit ihr der neugierige Passant. Mit dieser Installation „Catch – Shoot – Release #1“ wollen die Künstlerinnen Anne Euler (geb. 1985) und Tina van de Weyer (geb. 1985) auf die heutige Reizüberflutung und die allgegenwärtige Videoüberwachung aufmerksam machen. Sie gehören zu den neun künstlerischen Positionen, die unter dem Titel „Surviving the Fitness“ präsentiert werden. Besonders tiefschürfend ist ihre Arbeit nicht, auch nicht die von Anneke Kleimann (geb. 1988). Deren knallgelbe Skulptur „Mü“, vorn Kugel, hinten Kegel, berührt den Boden in nur einem Punkt, in einem ständigen Balanceakt zwischen Stehen und Fallen, liegt aber meistens. Schon witziger ist Matthias Conradys (geb. 1988) Arbeit „Jetzt darf sich jeder nehmen“, die den Besucher animiert, Drucke, Zeichnungen und putzige Stickbildchen des Künstlers auf einem Schwarzweiß-Kopierer zu reproduzieren und mittels Signaturstempel zum Original zu erklären. Angezogen wird man sofort von Chris Bechers (geb. 1990) wandfüllender Arbeit „Our Daily Projections (AT)“. Sie führt Video, Sprache, Text und Fotografie collageartig zusammen, setzt sich mit der 150-jährigen Tradition der Vermarktung von Seifen in Indien auseinander und thematisiert die koloniale Denkart und Stereotypisierung auf diesem Gebiet.

Matthias Conrady
In der interaktiven Installation „Gewächs“ von Jens Isensee (geb. 1981) sprießt eine abstrakte Wucherung auf einem Bildschirm. Mit Hilfe eines Bewegungssensors dehnt sie sich mit wachsender Entfernung des Betrachters aus und schrumpft beim Näherkommen wieder, wird also von ihm gesteuert. Almut Elhardt (geb. 1977) hat sich für die Arbeit „changed condition“ in die Lebensumstände eines XP (Xeroderma Pigmentosum) Patienten versetzt. Unter den Lebensbedingungen der Mondscheinkrankheit, abgeschottet vom UV-Licht der Sonne, entstanden Fotografien, die, jeweils reduziert auf ihren durchschnittlichen Farbwert, 3761 Farbfelder bilden.

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Regine Nahrwold am 23. August 2018:

Ausstellung „Trotzköpfe“ von Denis S. Rose im Allgemeinen Konsumverein

„Was entsteht, ist durchaus in einer Tradition des Figurativen, aber strikt unakademisch. Es gibt hier keine Couch, die dem Wahren, Schönen, Guten verpflichtet ist. Die Konfrontation mit dem Unschönen, Unguten, Unwahren trifft uns. Unerträglich. Die Welt ist keine Wohnung mehr. Punkt. Schock.“ Diese Sätze schrieb der verstorbene Kunstwissenschaftler und frühere Professor an der HBK Braunschweig, Georg Kiefer, vor genau 30 Jahren in einem Katalog zur Arbeit „Headaches“ von Denis Stuart Rose. Rose, den mit Kiefer eine konsequent linke Haltung verband, ist in Braunschweig ein Urgestein der figürlichen-politischen Kunst im Stile der Environments von Edward Kienholz. Der heute 64jährige Künstler, der an der HBK Braunschweig bei Roland Dörffler freie Kunst studierte, war hier 1976 Gründungsmitglied der Kunstkooperative Braunschweig, Geschäftsführer der Produzentengalerie KK im Fisch sowie des Atelierhauses Kunstasyl e.V. und gründete die Gruppe “Braunschweiger Schule der verlorenen Figur” mit. Nun zeigt er in einem „Short Cut“ im Allgemeinen Konsumverein seine „Trotzköpfe“, angekündigt als „Status nascendi und Status post mortem eines Werkkomplexes“. Denn die Köpfe, die Rose präsentiert, stammen alle von lebensgroßen Figuren, die er eigenhändig enthauptet hat, als er vor einiger Zeit sein Atelier räumen musste – ein schmerzlicher Akt, ein Schnitt ins eigene Fleisch. Aber es gibt das „Trotzdem“! Was zunächst einmal ein herber Verlust war, wendet sich in der schwarzen Raumbox im Galerieraum zur Quintessenz seines Schaffens. An den Außenwänden des Kubus lassen verkleinerte Ideenskizzen die Installationen, aus denen die Köpfe stammen, noch einmal lebendig werden.

Da ist zum Beispiel Ikarus. Fünfmal schuf Rose den tollkühnen Fliegenden, der sterben musste, weil er der Sonne zu nahe kam, einen davon als Selbstportrait. Materialien: Gips, Draht, PU-Schaum, Kleidungsstücke, Spannseide, Polyester, Holz, Gänsefedern, Lack und ein Kinderfahrrad. Fünf Gedichte begleiteten dieses Ikarus-Projekt, das Erich Mühsam gewidmet war. Des anarchistischen Schriftstellers, Publizisten und Antimilitaristen, der 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, gedenkt Rose auch mit den „Trotzköpfen“.

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Regine Nahrwold am 2. August 2018:

Ausstellung: Robert Michel und Ella Bergmann-Michel im Sprengel Museum Hannover

Ella Bergmann-Michel, Ohne Titel, Holzschnitt, 1917

Rotierende Segmente von Zahnrädern, verwischtes Schwarz zeigt ihre Geschwindigkeit an. In der Mitte ein Druckmessgerät, ein Uhrwerk von kleineren Rädern drumherum. Von da aus strahlen in alle Richtungen schmale Streifen von Notenpapier aus. Man hört förmlich die ratternde Maschinenmusik. Einmontiert dazwischen Schrift: „Gustav Otto“, „1911“, „TIK TAK“, „allen voran Mannesmann“. Das „MANN-ES-MANNBILD“ (Collage und Tusche) schuf Robert Michel 1918/19, nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, in dem die alte Welt- und Gesellschaftsordnung zerborsten war. Ihm liegt die Erfahrung der Moderne zugrunde, dass die Welt allenfalls noch in Fragmenten zu erfassen ist.

Robert Michel, Illustration zum Segelfliegerbuch O. Ursinus, Collage, Tusche und Deckweiß auf Papier, 1920/21

Seit 1988 befindet sich der Nachlass des Künstlerehepaars Robert Michel und Ella Bergmann-Michel mit weit über 2000 Werken als Dauerleihgabe im Sprengel Museum Hannover, der dokumentarische Nachlass wurde dem Museum als Schenkung übereignet. Nun hat Karin Orchard, die Leiterin der graphischen Sammlung, dem Paar erstmals eine gemeinsame Retrospektive ausgerichtet. Präsentiert werden etwa 250 Arbeiten aus allen Schaffensperioden und Medien, u.a. Zeichnungen, Druckgrafik, Collagen, Reklame, Architekturentwürfe, Fotografie und Film.

Robert Michel, Lok (Höhenflug), Feder und Aquarell auf Papier, 1923

Robert Michel, geboren 1897 in Vockenhausen im Taunus, verlebt seine Kindheit auf der Schmelzmühle, einer von vier Mühlen, die dem elterlichen Betrieb zur Herstellung von Schwärzen für die Farbindustrie angehören. Er begeistert sich für Flugzeuge und wird Pilot. Freiwillig meldet er sich an die Front und wird verwundet. Ella Bergmann, geboren 1895 in Paderborn, erhält in der Drogerie der Eltern früh die Möglichkeit, sich mit den chemischen und technischen Verfahren der Fotografie zu beschäftigen. Beide begegnen sich 1917 an der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar, wo noch der Einfluss von Henry van de Velde und Harry Graf Kessler wirksam ist. Sie heiraten 1919 und gehören zum Künstlerkreis um Johannes Molzahn, haben Kontakt zum „Sturm“-Galeristen Herwarth Walden in Berlin und zum neu gegründetem Bauhaus, dessen Lehrplan sie jedoch ablehnen. 1920 ziehen sie in die Schmelzmühle, ihr „Heimatmuseum of Modern Art“, wo Kurt Schwitters sie oft besucht.

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Regine Nahrwold am 18. Juli 2018:

Film „Das unmögliche Bild“ im Kino „Universum“

„Papa sagt: Man muss man schnell sein, wenn man was sehen will, weil alles verschwindet. Ich glaube das nicht. Ich glaube, man muss nur lange genug hinschauen.“ Nun ist Papa tot, und die 13jährige Johanna erbt seine Super 8 Kamera. Die Mutter zieht mit ihr und der kleinen Lizzy zu den Großeltern in die Wiener Vorstadt. Der Kuchen zu Lizzys siebentem Geburtstag ist noch von der Beerdigung, aber „mit Kerzen drauf merkt das keiner“. Das ist im Jahr 1957.

Johanna ist die Protagonistin von Sandra Wollners Film „Das unmögliche Bild“, dem ersten Langfilm der 1983 geborenen Regisseurin, entstanden im Rahmen ihres Studiums an der Filmakademie Baden-Württemberg. Er wurde mit dem „Förderpreis Neues Deutsches Kino“ der Hofer Filmtage ausgezeichnet und läuft in der Reihe „Femmes fatales – Filme von Frauen“ noch einmal am Dienstag, 17. Juli, um 21.15 Uhr im Kino „Universum“.

Und Johanna schaut genau hin: Lizzys Geburtstag ist nur eine von vielen Gelegenheiten, bei denen sie die Kamera auf die Familie richtet. Aufgrund von Kinderlähmung geht sie an Krücken, ist vielleicht darum so viel zu Haus. Weihnachten („Heute mal keinen Streit!“, bittet Opa), Sonntagsessen mit Knödeln, Kaffeekränzchen mit Biskuitrolle und deutschen Schlagern, Lizzy und Hündchen Cora immer dabei. Lizzy fragt: „Opa, wann stirbst Du?“ Opa erzählt vom Krieg und man fragt sich: „Ist denn der Russe besser als der Ami?“ Alte Fotoalben werden angeschaut, wer war denn nochmal dieser kleine Junge? „Der Emil“, beharrt Lizzy, „ich habe ihn gerade noch auf dem Hof gesehen!“ Es wird wild durcheinander geredet, viele Schnäpse werden gekippt, viele Zigaretten gequalmt. Eine ganz normale Familie Ende der 1950er Jahre: spießig, aber irgendwie auch nett. Die Mutter sagt zu Johanna: „Nun iss doch mal was!“ Aber man muss sich entscheiden, ob man isst oder filmt. Und Johanna filmt lieber und ist darum selbst nie zu sehen.

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