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23. August 2018

Ausstellung „Surviving the FItness“ im Kunstverein Wolfenbüttel

Chris Becher

COME CLOSER – folgt man dieser Aufforderung eines Leuchtkastens im Schaufenster des Kunstvereins Wolfenbüttel, blitzt es, die Fensterfront wird erhellt und zugleich mit ihr der neugierige Passant. Mit dieser Installation „Catch – Shoot – Release #1“ wollen die Künstlerinnen Anne Euler (geb. 1985) und Tina van de Weyer (geb. 1985) auf die heutige Reizüberflutung und die allgegenwärtige Videoüberwachung aufmerksam machen. Sie gehören zu den neun künstlerischen Positionen, die unter dem Titel „Surviving the Fitness“ präsentiert werden. Besonders tiefschürfend ist ihre Arbeit nicht, auch nicht die von Anneke Kleimann (geb. 1988). Deren knallgelbe Skulptur „Mü“, vorn Kugel, hinten Kegel, berührt den Boden in nur einem Punkt, in einem ständigen Balanceakt zwischen Stehen und Fallen, liegt aber meistens. Schon witziger ist Matthias Conradys (geb. 1988) Arbeit „Jetzt darf sich jeder nehmen“, die den Besucher animiert, Drucke, Zeichnungen und putzige Stickbildchen des Künstlers auf einem Schwarzweiß-Kopierer zu reproduzieren und mittels Signaturstempel zum Original zu erklären. Angezogen wird man sofort von Chris Bechers (geb. 1990) wandfüllender Arbeit „Our Daily Projections (AT)“. Sie führt Video, Sprache, Text und Fotografie collageartig zusammen, setzt sich mit der 150-jährigen Tradition der Vermarktung von Seifen in Indien auseinander und thematisiert die koloniale Denkart und Stereotypisierung auf diesem Gebiet.

Matthias Conrady
In der interaktiven Installation „Gewächs“ von Jens Isensee (geb. 1981) sprießt eine abstrakte Wucherung auf einem Bildschirm. Mit Hilfe eines Bewegungssensors dehnt sie sich mit wachsender Entfernung des Betrachters aus und schrumpft beim Näherkommen wieder, wird also von ihm gesteuert. Almut Elhardt (geb. 1977) hat sich für die Arbeit „changed condition“ in die Lebensumstände eines XP (Xeroderma Pigmentosum) Patienten versetzt. Unter den Lebensbedingungen der Mondscheinkrankheit, abgeschottet vom UV-Licht der Sonne, entstanden Fotografien, die, jeweils reduziert auf ihren durchschnittlichen Farbwert, 3761 Farbfelder bilden.

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23. August 2018

Ausstellung „Trotzköpfe“ von Denis S. Rose im Allgemeinen Konsumverein

„Was entsteht, ist durchaus in einer Tradition des Figurativen, aber strikt unakademisch. Es gibt hier keine Couch, die dem Wahren, Schönen, Guten verpflichtet ist. Die Konfrontation mit dem Unschönen, Unguten, Unwahren trifft uns. Unerträglich. Die Welt ist keine Wohnung mehr. Punkt. Schock.“ Diese Sätze schrieb der verstorbene Kunstwissenschaftler und frühere Professor an der HBK Braunschweig, Georg Kiefer, vor genau 30 Jahren in einem Katalog zur Arbeit „Headaches“ von Denis Stuart Rose. Rose, den mit Kiefer eine konsequent linke Haltung verband, ist in Braunschweig ein Urgestein der figürlichen-politischen Kunst im Stile der Environments von Edward Kienholz. Der heute 64jährige Künstler, der an der HBK Braunschweig bei Roland Dörffler freie Kunst studierte, war hier 1976 Gründungsmitglied der Kunstkooperative Braunschweig, Geschäftsführer der Produzentengalerie KK im Fisch sowie des Atelierhauses Kunstasyl e.V. und gründete die Gruppe “Braunschweiger Schule der verlorenen Figur” mit. Nun zeigt er in einem „Short Cut“ im Allgemeinen Konsumverein seine „Trotzköpfe“, angekündigt als „Status nascendi und Status post mortem eines Werkkomplexes“. Denn die Köpfe, die Rose präsentiert, stammen alle von lebensgroßen Figuren, die er eigenhändig enthauptet hat, als er vor einiger Zeit sein Atelier räumen musste – ein schmerzlicher Akt, ein Schnitt ins eigene Fleisch. Aber es gibt das „Trotzdem“! Was zunächst einmal ein herber Verlust war, wendet sich in der schwarzen Raumbox im Galerieraum zur Quintessenz seines Schaffens. An den Außenwänden des Kubus lassen verkleinerte Ideenskizzen die Installationen, aus denen die Köpfe stammen, noch einmal lebendig werden.

Da ist zum Beispiel Ikarus. Fünfmal schuf Rose den tollkühnen Fliegenden, der sterben musste, weil er der Sonne zu nahe kam, einen davon als Selbstportrait. Materialien: Gips, Draht, PU-Schaum, Kleidungsstücke, Spannseide, Polyester, Holz, Gänsefedern, Lack und ein Kinderfahrrad. Fünf Gedichte begleiteten dieses Ikarus-Projekt, das Erich Mühsam gewidmet war. Des anarchistischen Schriftstellers, Publizisten und Antimilitaristen, der 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, gedenkt Rose auch mit den „Trotzköpfen“.

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2. August 2018

Ausstellung: Robert Michel und Ella Bergmann-Michel im Sprengel Museum Hannover

Ella Bergmann-Michel, Ohne Titel, Holzschnitt, 1917

Rotierende Segmente von Zahnrädern, verwischtes Schwarz zeigt ihre Geschwindigkeit an. In der Mitte ein Druckmessgerät, ein Uhrwerk von kleineren Rädern drumherum. Von da aus strahlen in alle Richtungen schmale Streifen von Notenpapier aus. Man hört förmlich die ratternde Maschinenmusik. Einmontiert dazwischen Schrift: „Gustav Otto“, „1911“, „TIK TAK“, „allen voran Mannesmann“. Das „MANN-ES-MANNBILD“ (Collage und Tusche) schuf Robert Michel 1918/19, nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, in dem die alte Welt- und Gesellschaftsordnung zerborsten war. Ihm liegt die Erfahrung der Moderne zugrunde, dass die Welt allenfalls noch in Fragmenten zu erfassen ist.

Robert Michel, Illustration zum Segelfliegerbuch O. Ursinus, Collage, Tusche und Deckweiß auf Papier, 1920/21

Seit 1988 befindet sich der Nachlass des Künstlerehepaars Robert Michel und Ella Bergmann-Michel mit weit über 2000 Werken als Dauerleihgabe im Sprengel Museum Hannover, der dokumentarische Nachlass wurde dem Museum als Schenkung übereignet. Nun hat Karin Orchard, die Leiterin der graphischen Sammlung, dem Paar erstmals eine gemeinsame Retrospektive ausgerichtet. Präsentiert werden etwa 250 Arbeiten aus allen Schaffensperioden und Medien, u.a. Zeichnungen, Druckgrafik, Collagen, Reklame, Architekturentwürfe, Fotografie und Film.

Robert Michel, Lok (Höhenflug), Feder und Aquarell auf Papier, 1923

Robert Michel, geboren 1897 in Vockenhausen im Taunus, verlebt seine Kindheit auf der Schmelzmühle, einer von vier Mühlen, die dem elterlichen Betrieb zur Herstellung von Schwärzen für die Farbindustrie angehören. Er begeistert sich für Flugzeuge und wird Pilot. Freiwillig meldet er sich an die Front und wird verwundet. Ella Bergmann, geboren 1895 in Paderborn, erhält in der Drogerie der Eltern früh die Möglichkeit, sich mit den chemischen und technischen Verfahren der Fotografie zu beschäftigen. Beide begegnen sich 1917 an der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar, wo noch der Einfluss von Henry van de Velde und Harry Graf Kessler wirksam ist. Sie heiraten 1919 und gehören zum Künstlerkreis um Johannes Molzahn, haben Kontakt zum „Sturm“-Galeristen Herwarth Walden in Berlin und zum neu gegründetem Bauhaus, dessen Lehrplan sie jedoch ablehnen. 1920 ziehen sie in die Schmelzmühle, ihr „Heimatmuseum of Modern Art“, wo Kurt Schwitters sie oft besucht.

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15. Juli 2018

Ausstellung „The Voids“ im Museum für Photographie

Was ist heute noch dokumentarisch an der Dokumentarfotografie? Wie hat sich dieses Genre unter dem Einfluss der Medien und des Digitalen verändert, wo realistisch wirkende „Fakes“ an der Tagesordnung sind? Vier Antworten auf diese Fragen geben die Preisträger des Förderpreises 11 Dokumentarfotografie der Wüstenrot Stiftung, deren Arbeitsergebnisse nun im Museum für Photographie gezeigt werden. Der Preis richtet sich an Fotografinnen und Fotografen, die sich mit Themen der realen Lebenswelt beschäftigen und mit zeitgenössischen Mitteln die Definition des Abbildcharakters der Fotografie reflektieren. Darin steckt bereits die Relativierung dessen, was einmal die Definition dieses Genres war: ein objektives Bild der Wirklichkeit wiederzugeben, was längst als unmöglich gilt. Geblieben sei allerdings, so die Leiterin des Museums, Barbara Hofmann-Johnson, die Erwartung an politische, soziale und gesellschaftliche Inhalte sowie eine sachlich-informative Bildsprache. Dass aber mehr und mehr die Subjektivität des eigenen Standpunktes thematisiert wird und sich Grenzen zwischen den Gattungen weiter auflösen, zeigt auch diese Ausstellung mit dem Untertitel „The Voids“ („Die Leerstellen“), in der nicht nur Fotografien, sondern auch Videos und eine Multimedia-Installation zu erleben sind.

Alina Schmuch / Franca Scholz

Alina Schmuch (geb. 1987, Berlin) besuchte für ihr Filmprojekt „We can“ mit ihrer Partnerin Franca Scholz Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Man sieht unter anderem Handwerker bei der Herrichtung der Gebäude, noch leere und schon bewohnte Räume, Gruppen von Helfern bei Besprechungen oder beim Sortieren von Kleiderspenden und eine Pegida-Demonstration in Dresden. Doch die Flüchtlinge selbst fehlen in diesen Bildern, man kann nur aus dem Gezeigten auf sie schließen. Ein nüchternes Zeitdokument zu einer der größten Herausforderungen Deutschlands in jüngster Zeit und gerade jetzt sehr aktuell.

Susanne Hefti

Susanne Heftis (geb. 1984, Zürich) Multimedia-Installation „Kosovo – A Truly Non-Affirmative Research“ spürt den Folgen der überstürzten Einführung des Kapitalismus und der Liberalisierung der Märkte nach dem Zerfall Jugoslawiens für die Gesellschaft des Kosovo nach. Bei einer Reise fielen ihr dort die vielen Tankstellen entlang der mit EU-Geldern bestens ausgebauten Straßen auf – viel zu viele für die wenigen Autos im Lande, und häufig fehlten die Preisangaben. Sie erfuhr, dass diese Tankstellen sehr oft der Tarnung krimineller Banden dienen, die etwa mit Menschen handeln und Geldwäsche betreiben. Funkelnagelneu, geradezu antiseptisch, wirken diese Gebäude in ihren kühlen analogen, dann digitalisierten Farbaufnahmen. Zu der Diashow spricht die Künstlerin tagebuchartig von ihren Eindrücken.

Malte Wandel

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6. Juli 2018

Ausstellung „365 years later“ in der Städtischen Galerie Wolfsburg

Kurator Markus Körber, Marlene Bart, Serena Ferrario, André Sassenroth

„Ich glaube, viele Menschen empfinden eine Leere, unternehmen aber nichts dagegen, sondern verhalten sich abwartend und sehen lieber dem Leben der anderen zu anstatt selbst aktiv zu werden.“ André Sassenroth erläutert seine Arbeit im Südflügel der Städtischen Galerie Wolfsburg, eine Tribüne mit 30 abgewetzten, orangefarbenen Plastik-Schalensitzen; irritierend eingepfercht und abgeschnitten wirkt sie, die man doch im Freien, in einem Stadion, erwartet, hier in dem geschlossenen Raum, den sie fast zu sprengen scheint. André Sassenroth (geb. 1979, Meisterschüler von Thomas Rentmeister), Marlene Bart (geb. 1991, Meisterschülerin von Wolfgang Ellenrieder) und Serena Ferrario (geb. 1986, Meisterschülerin von Wolfgang Ellenrieder) sind die drei Studierenden der HBK Braunschweig, die letztes Jahr mit dem Meisterschülerstipendium der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ausgezeichnet wurden. Gut zwölf Monate später stellen sie nun die künstlerischen Ergebnisse dieses Zeitraums in der gemeinsamen Werkschau „365 years later“ im Wolfsburger Schloss vor.

Sassenroths Arbeit gehört zu seinem Zyklus „Andtire Gallery“, einem Projekt, das man mit Joseph Beuys eine soziale Plastik nennen könnte. Er hat einen Lastwagen zum mobilen Ausstellungsraum umfunktioniert und ist damit sowohl als Künstler wie auch als Kurator in Erscheinung getreten. Die Tribüne war das vierte „Inlay“ des Lastwagens.

Ausgehend vom Phänomen der Kunst-und Wunderkammern des 16. und 17. Jahrhunderts mit ihren Artificialia und Naturalia sowie vom Gedanken des Archivs analysiert und dekonstruiert Marlene Bart verschiedene Ordnungs- und Sammlungssysteme. Ihre Arbeit „Derma“ (Haut) ist ein Ensemble aus verschiedenen Medien, in dem das Fundstück eines toten Marders eine wichtige Rolle spielt. Um das Tier abgießen zu können, musste sie es rasieren. Diesen Prozess zeigt ein Schwarzweiß-Video auf dem Boden, umgeben von einem Polygon aus Glasplatten, in denen sich die rätselhaften Bilder spiegeln. Der an einen Embryo erinnernde haarlose Marder wurde das Motiv dreier auf holografische Folie gedruckter Serigraphien. Neben zwei weiteren Graphiken präsentiert die Künstlerin in einem hohen Glas die Haut einer drei Meter langen Schlange – sehr faszinierend.

Serena Ferrario widmet ihre Installation „Lelita Ioana“ ihrer verstorbenen Großtante Ioana Radu. Sie war eine der bekanntesten Chansonsängerinnen Rumäniens, bis heute werden ihre Lieder gespielt. Auf Reisen nach Bukarest auf den Spuren ihrer Großtante und ihrer Familiengeschichte, durch Gespräche mit Verwandten und Menschen, die Ioana Radu noch als Sängerin kannten, hat Ferrario auch ihre eigene Rolle als Künstlerin reflektiert. Ihre in nostalgisches, schummriges Licht getauchte Installation wird dominiert von einem Video, das von Lichterketten, Goldfolie und figürlichen Wandzeichnungen umrahmt ist. Der Film zeigt rumänische Frauen, die hingebungsvoll Puppen kämmen – eine, so Ferrario, eigentlich kindliche, spielerische Beschäftigung, als die man auch ihr eigenes, künstlerisches Arbeiten empfinden kann.

Der Künstler und die Künstlerinnen haben die Zeit ihres Stipendiums gut genutzt. Möge dieser Impuls sie auf ihrem Weg auch weiterhin beflügeln!

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28. Juni 2018

Ausstellung „Nackt“ im BBK Braunschweig

Nacktheit. Kann man damit heute noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken, womöglich gar provozieren? Ja – wenn man Ingo Lehnhoff heißt. Der Maler gehört zu den fünf Künstlern, die zur Zeit im Kunsthaus des BBK ihre Arbeiten zum Thema „Nackt“ vorstellen.

Die Männer, die Lehnhoff unter Titeln wie „Rumpelstilzchen“, „Strafe muss sein“, „Sonnenbrand“ oder „Wirf Hirn!“ in Öl auf Leinwand präsentiert, rücken einem ganz schön auf die Pelle: Da wölben sich die Bäuche, da schlafft die Haut, rot springen einem Knie, Füße und Genitalien ins Auge. Man riecht förmlich die Körpersäfte! Dazu grotesk grimassierende Gesichter, und das Modell kneift sich auch mal kräftig in den eigenen Speck. Das alles ist heftig und gefällt sicher nicht jedem. Aber es ist brilliant gemalt, in einem Farbspektrum von Grau und Grün in den Schattenpartien, mit vielen Gelb- und Rottönen, mit sicher gesetzten Weißhöhungen und einem Pinselstrich, der die Körperforman plastisch herausmodelliert.

Den stärksten Kontrast dazu bilden die Arbeiten von Ana Laibach. Ihr Bild „Am Anfang war nackt“ (Acryl und Tinte auf Leinwand, 245 x 648 cm) bedeckt eine ganze Wand. Die Phantasiewesen, die sich in diesem Urchaos tummeln, sind ganz auf Schwarz und Weiß und klare Konturen reduziert; Positiv- und Negativformen greifen so ineinander, dass ein dynamisches Gefüge von menschlichen, tierischen und pflanzlichen Gestalten entsteht, darunter auch Nackte und stilisierte phallische Formen. Man steht lange davor und entdeckt immer wieder etwas Neues, Witziges – Klasse! Von Laibach stammen auch einige tolle Grafitzeichnungen von Figuren, sehr treffsicher mit der unendlichen Linie umrissen.

Schöne sensible Zeichnungen (Bleistift, Farbstift, Acrylfarbe, Bienenwachs) in kleinen Formaten hat auch Tina Stolt beigesteuert. Ebenso fein kommen ihre plastischen Torsi daher: reliefartig in Gaze oder vollplastisch aus Maschendraht, teilweise umspannt mit Nähseide in den Farben, aus denen sich das menschliche Inkarnat zusammensetzt.

Von Janna Riabowa stammen die Serien „Andenken“ und „Kinderlieder“, Pigmentdrucke von Fotografien auf Kupferdruckpapier. Diese zeigt aus primitiven Materialien gefertigte, mitunter unheimlich anmutende Kuscheltiere, jene alte, von Spuren der Vergänglichkeit gezeichnete Puppen.

Fritz Stier zeigt zwei „Cutouts“ (Öl, Eisenfeilspäne, Säure auf Spanplatte), Frauenakte, die frei und schwerelos im leeren Raum vor der Wand schweben. In seiner großen Videoinstallation „Rotes Rauschen“ wecken ein Mann und eine Frau, an den Füßen aufgehängt um sich selbst kreiselnd, Vorstellungen von Folter und Schlachthaus. Fazit: In der Kunst kann Nacktheit viele spannende Facetten haben. (Bis 22.7., Kunsthaus des Bundes Bildender Künstler, Humboldtstr. 34, Öffnungszeiten: Mi-Fr 15-18 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr)

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24. Juni 2018

Ausstellung DEWOOL von Folke Köbberling im Allgemeinen Konsumverein

Wer hätte nicht als Kind davon geträumt, wie Winnie the Pooh in einem hohlen Baum zu wohnen? Aber in einem Woll-Tipi? Im „Allgemeinen Konsumverein“ kann man sich jetzt eine Eindruck davon verschaffen, wie das wäre. Eine Tonne Rohwolle von 800 Schafen von Biohöfen hat Folke Köbberling, Professorin für Künstlerisches Gestalten am Institut für architekturbezogene Kunst der TU Braunschweig, zusammen mit Studierenden für ihre Installation DEWOOL über den Kubus, den Raum im Raum, gehäuft. Entstanden ist ein gewaltiger, archaischer Berg bis unter die Decke, eine begehbare Skulptur. Ob als luftiger Bausch oder feine Strähne, als verfilzter Knubbel oder dicke Locke, in Weiß, Beige, Braun oder sogar grün und rot eingefärbt – immer wieder anders sieht das Fell aus. Im Inneren hängen die Zotteln dicht an dicht herab wie Stalaktiten in einer Tropfsteinhöhle. Mollig warm ist es hier zur Zeit der Schafskälte. Und wie das riecht! Animalisch-würzig, etwas muffig und ziemlich streng – nach Schaf eben.

Die international agierende Künstlerin verwendet vor allem Weggeworfenes, Abfälle, Geschenktes und scheinbar Unbrauchbares für ihre Werke. Für sie ist das Erste nicht eine Idee, zu der sie dann das passende Material sucht, sondern umgekehrt: Sie findet zuerst das Material und überlegt dann, was sich daraus entwickeln lässt. Deutschlands Schäfer beziehen ihr Einkommen heute vor allem durch das Fleisch und die Milch ihrer Herden und von der staatlichen Prämie für ihre Funktion als Landschaftsschützer. Die Wolle können sie kaum mehr loswerden, da diese hierzulande aus Übersee importiert wird; sie ist zu einem lästigen Nebenprodukt geworden, wird untergepflügt oder weggeworfen – was für eine Verschwendung dieser natürlichen Ressource! Auch dagegen und gegen unseren Konsumwahnsinn will die Künstlerin ein Zeichen setzen.

Im 19. Jahrhundert wurde das Schaf als dumm geschmäht, obwohl es neben Rind und Hund zu den ältesten Nutztieren der Menschheit gehört und viel Symbolisches verkörpert. Der Frühlingsanfang am 21. März steht im Zeichen des Widders. Jesus Christus nennen wir das Lamm Gottes und den guten Hirten. Die alttestamentarische Geschichte von der Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, der auf Geheiß Gottes zuguterletzt statt seines geliebten Sohnes einen Widder schlachten darf, weist in der christlichen Theologie auf die Opferung des Gottessohnes voraus; in allen drei monotheistischen Religionen gilt sie als Schlüsselgeschichte für die Hingabe an Gott und das Vertrauen in seine Allmacht. DEWOOL: eine Hommage an ein wunderbares Tier und ein imposantes Erlebnis für alle Sinne, das auch zu denken gibt. (Bis 19. Juli, Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2, Öffnungszeiten: Donnerstag 18-22.00 Uhr, Samstag und Sonntag 14-18 Uhr)

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21. Juni 2018

Ausstellung „Bitte (nicht) stören“ im Städtischen Museum

Ganz langsam schreitet die grazile junge Frau die Treppe hinab, gewandet in ein – ja, was? Ein Kleid? Eine Rüstung? Das eng anliegende Gewand, das sich aus hauchzarten Plättchen aus weiß glasiertem Porzellan zusammensetzt, schleift und scheppert; einige Plättchen der langen Schleppe zerschellen an den steinernen Stufen.

Die Performance der Chinesin Szu-Ying Hsu war ein Bestandteil der Eröffnung der Ausstellung „Bitte (nicht) stören“. Unter diesem Titel zeigen sechs Meisterschüler 2018 der HBK Braunschweig erstmals im Städtischen Museum ihre Arbeiten. Sie haben sich die Ausstellungsräume, aber auch die Sammlungen des Museums „vorgeknöpft“, intervenieren provokant mit ihrer Kunst. Und, um’s gleich vorwegzunehmen: Die kreativen Störfaktoren sind sehr gelungen, vor allem dort, wo sie auf die Exponate Bezug nehmen.

Das Gewand, die „Klanghaut“, ist für ein Kleid zu unpraktisch, für eine Rüstung zu zerbrechlich – ein schönes Paradox, wie es nur im Reich der Kunst anzutreffen ist. Als dauerhaftes Exponat hat die Schöpferin Szu-Ying Hsu die Fächer eines großen Regals mit den Porzellanplättchen ausgelegt.

Im Raum mit den Möbeln sind diese hinter provisorischen Verschlägen aus Dachlatten und transparenter Plastikfolie nurmehr schemenhaft zu ahnen; es sieht aus, als würde hier demnächst gestrichen. Über dieser witzigen Installation von Matej BosniÄ prangt der Satz „We don’t need you“ an den Fenstern: Die Objekte existieren auch ohne ohne Betrachter. Nico Pachali antwortet auf die Architektur mit eigenen Raumsystemen, Ensembles von Kuben und Platten aus Klebeband mit roten Schriftbildern darauf. „FIELD FRAGMENT“, „POSSIBILITIES TO FILL A FIELD“ und andere Wortkombinationen zum Thema Raum sind darauf zu lesen.

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20. Juni 2018

Ausstellung „Gleich aber anders“ in der Galerie Geyso20

Die beiden Engel mit dem B davor zu Füßen von Raffaels „Sixtinischer Madonna“ sind noch kecker geworden. Richtig freche Schlingel, lugen sie unter ihren wilden Haarschöpfen scheinheilig gen Himmel, dabei haben sie’s faustdick hinter den Ohren. Die beiden Kerlchen von Volker Darnedde bilden den Auftakt zur aktuellen Ausstellung der Galerie „Geyso20“ der Lebenshilfe. „Gleich aber anders. Kunst im Blick der Outsider Art“ stellt Arbeiten von 13 Künstlerinnen und Künstlern mit geistiger Beeinträchtigung vor, die in Malerei und Zeichnung nach großen Vorbildern aus der Kunstgeschichte, vom Mittelalter bis zur Moderne, entstanden sind. Dabei handelt es sich keineswegs um simple Kopien, sondern um sehr eigenständige, originelle Aneignungen der bekannten Vorlagen.

*

Der zum Atelier der „Schlumper“ in Hamburg gehörende Werner Voigt ist mit zwölf Bildern nach dem „Grabower Altar“ Meister Bertrams von Minden in der Hamburger Kunsthalle vertreten. Die Vorbilder erkennt man sofort, aber die spätgotischen Gemälde hat der Künstler in abstrahierte Flächenkompositionen mit markanten Figurensilhouetten umgesetzt, alle Gestalten mit lachenden Mündern und riesigen Henkelohren. Stark auch Rohullah Kazimis Adaption von Jean-Auguste-Dominique Ingres‘ „Frauenbad“ mit dem berühmten Rückenakt und Susanne Kümpels „Madonna im Rosenhag“; die liebliche Mariengestalt von Stefan Lochner ist hier zu einer kompakten Figur, umgeben von witzigen Engeln, geworden, mit dicken schwarzen Konturen wie in einem Glasfenster. Helmut Paus hat August Mackes Gemälde „Zwei Mädchen am Abend“ sehr frei umgesetzt: die Mädchen verschmelzen bei ihm liebevoll zu einer einzigen Figur, der Hintergund, horizontale Streifen in zarten Nuancen von Gelb, Orange, Rot und Rosa könnte von Paul Klee stammen. Von den Zeichnungen ragen diejenigen von Mario Ohmes nach einem Flaschenstillleben von Giorgio Morandi heraus, sowie die Arbeiten von Petra Weifenbach, die eine Reihe von Portraits mit Bleistift rein linear wiedergegeben hat. Stefan Reichardt hat Reproduktionen nach Bildern von Antoine Watteau, Botero und Hieronymus Bosch auf einen Hintergrund von malerischen Farbverläufen montiert, Suzy van Zehlendorf in ihrer Adaption von Giottos „Der heilige Franziskus empfängt die Wundmale“ die Hauptfiguren in fein gemalter Landschaft durch Hühner ersetzt.

Ein großes Vergnügen, diese Ausstellung, denn manches Werk übertrifft schon fast das Original!

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16. Juni 2018

Ausstellung „Überräume“ von Lienhard von Monkiewitsch im Städtischen Museum

„Ich war beeindruckt von den Riesenformaten der amerikanischen Farbfeldmalerei, zum Beispiel von Barnett Newman. In der Größe wollte ich auch mal arbeiten.“ So startet Lienhard von Monkiewitsch die Führung durch seine Ausstellung im Städtischen Museum, die erste große Einzelausstellung in Braunschweig seit denen in der Galerie Langer Anfang der 70er Jahre. „Die Gelegenheit dazu bekam ich 1979 als Stipendiat der Villa Massimo in Rom: Mein Atelier dort war acht Meter hoch!“ In der großen Halle steht der Künstler vor zwei Werken aus dieser Zeit, Leinwänden im Format von etwa 4 mal 3-5 Metern. Auf der Fläche täuschen sie dreidimensionale Ensembles von Kuben vor, die, nach hinten wegstürzend, über dem Boden schweben; durch einen Spalt schimmert das kalte Licht einer Neonröhre. Die Malschichten aus römischen Erden und sizilianischer Vulkanasche haften als dicke Krusten auf dem Grund.

Begonnen hat von Monkiewitsch 1970 als 23jähriger mit akribischen, perspektivischen Zeichnungen von Fußböden, das leere Weiß des Papiers lässt Raum für die Vorstellungen des Betrachters. Das Thema Raum zieht sich durch sein Lebenswerk, das von der Kunst eines Donald Judd, Sol LeWitt, Frank Stella, auch von der konkreten Malerei Walter Dexels inspiriert ist. Innerhalb eines streng systematischen Regelwerks entfaltet es eine erstaunliche Bandbreite an Variationen bis hin zu den jüngsten Arbeiten, in denen nun auch eine „wilde“, gestisch bewegte Malerei zum Zuge kommt. „Ich bin weniger ein denkender als ein spielender Mensch, ein Homo ludens,“, sagt der Maler über sich selbst.

In „Die Macht der Skizze“ von 1981 hat er eine kleine, schnelle Entwurfszeichnung auf die große Leinwand gebracht, langsam und präzise die an- und abschwellende, oben spitz auslaufende Bleistiftspur eins zu eins übertragen, so dass der spontane Duktus erhalten blieb. Zwei andere Arbeiten zeigen sich überlappende farbige Rechtecke, wobei die Überschneidung, ein transparentes Weiß, wie eine Plexiglasscheibe anmutet. In Wirklichkeit ist dies auf „die schlimmsten, spelzigtsten Hartfaserplatten gemalt. Diesen Kontrast von schöner Illusion und Banalität des Materials liebe ich“, so Monkiewitsch. Den gleichen Effekt erzielte er mit Beton und schwerem Eichenholz aus dem 17. Jahrhundert als Malgrund.

Für die Folge „Rekonstruktion eines Zufalls“ bat der Künstler seine Freunde, aus Pappe geschnittene Quadrate zu werfen, und übernahm dann deren zufällige Anordung ins Bild. „So kombiniere ich Exaktes mit Unkontrolliertem.“ Dabei entwickelte er das für ihn charakteristische, den Blick in die Tiefe saugende Schwarz durch einen besonderen Farbauftrag: auf die feuchte Ölfarbe stäubt er mehrere Schichten Pigment und reibt sie mit einer Bürste ein, bis die Farbschicht gesättigt und völlig glanzlos ist; die nach unten rieselnden Partikel bilden eine feinen, schwarzen Nebel, der eine Bewegung der Quadrate auf dem ultramarin leuchtenden Grund suggeriert.

In der Serie „Zwei Schnitte in das suprematischische Rechteck“ von 1987 trennte von Monkiewitsch von diesem schwarzen Rechteck zwei schmale, lange Dreiecke ab, um sie an anderer Stelle wieder anzufügen. Über 200 Varianten ergab dieses Spiel – alle hat er ausgeführt. Bekannt wurde für der Künstler für seine Verwendung der Fibonacci-Zahlen, die direkt mit dem Goldenen Schnitt zusammenhängen. Bei einer Reihe von Bildern legte er die Breite der farbigen Ränder – Rot, Grün, Blau, Gelb – nach diesen Zahlen fest und füllte das Feld dazwischen mit Schwarz aus. Einmal sprang dabei genau Malewitschs Quadrat heraus. „Malewitsch war mein Säulenheiliger“, bekennt von Monkiewitsch, „ich habe ihm quasi das Essen gebracht. Aber mit diesem Bild habe ich ihn in mir abgeschafft.“ Das hat seinem Werk gut getan. (Bis 8. Juli, Städtisches Museum, Am Löwenwall, Öffnungszeiten: Di-So und an Feiertagen, 10-17 Uhr; nächste Künstlerführung am 23.6. um 15 Uhr)

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