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10. November 2017

Ausstellung „Poller und Persenning“ von Hermann Buß in St. Martini Braunschweig

Trüb und windstill sind der verhangene Himmel und das nur sacht bewegte Meer, der Horizont liegt tief. Grau in allen erdenklichen Nuancen ist die vorherrschende Farbe in den Ölgemälden von Hermann Buß, der seinen Bilderzyklus „Poller und Persenning“ nun in der Martinikirche zeigt. Die Nordsee ist die Welt des 1951 geborenen Malers aus Norden, der in Oldenburg Kunstpädagogik studierte und zwischenzeitlich auch zur See gefahren ist. Sein Blick auf die See ist nüchtern, realistisch und unsentimental: keine einsamen Sandstrände, wie Urlauber sie so lieben, keine schmachtenden Sonnenuntergänge, sondern Ansichten einer harten und kalten Arbeitswelt werden da in reizvollen Ausschnitten und Perspektiven präsentiert. Frachter und Fähren, Container und rostige Eisenträger, Aussichtstürme und asphaltierte Anlegestellen sind neben Himmel und Wasser die Hauptdarsteller dieser Szenerien. Nur selten erscheinen Menschen auf der Bildfläche, und wenn, dann sind es wetterfest vermummte Arbeiter. Das alles ist ehrlich und solide Malerei.

Doch als ob das nicht genügte, wird nun Metaphysisches hineininterpretiert. Man erfährt, dem Maler, der auch Altarbilder geschaffen hat, seien die starken Poller, an denen selbst die größten Schiffe sicheren Halt finden, und das Schützende der Persenning zu Metaphern für Barmherzigkeit und Gnade geworden – für ihn die Schlüsselwörter aus Luthers 95 Thesen. Nun, wenn das so wäre, müssten die Bildgegenstände in irgendeiner Form über sich hinausweisen, in eine andere, geistige Sphäre. Das ist aber nicht der Fall, und man möchte hinzufügen „Gott sei Dank!“, denn dann wäre es vielleicht kitschig geworden. Auch im Reformationsjahr muss man nicht alles und jedes krampfhaft auf Martin Luther beziehen.

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8. November 2017

Ausstellung: „Antipoden II“ in der Städtischen Ausstellungshalle

Thomas Schindler, Prometheus

Prometheus. Der Titan stahl den Göttern das Feuer, um es den Menschen zu bringen und damit – seine Name bedeutet „der Vorausdenkende“ – die Zivilisation. Zur Strafe wurde er ans wilde Kaukasusgebirge geschmiedet. Täglich kam ein Adler und fraß von seiner Leber, die anschließend wieder nachwuchs. Einer Variante des Mythos zufolge schuf Prometheus sogar aus Lehm die ersten Menschen. Auf einem Bild von Thomas Schindler ist – ganz schön anmaßend! – der Künstler selbst als der große Frevler an den Felsen gekettet, mit Malstock und Palette; mit ausgebreiteten Schwingen landet gerade der riesige Adler auf ihm. Doch von Leiden keine Spur: Der Mann ist anständig bekleidet mit Hose, blütenweißem Hemd, Sonnenbrille und karierter Kappe. Ebenso aufgeräumt wie seine Kleidung ist das ganze Bild: alles sauber gezeichnet und in bunten Farben koloriert, der Hintergrund erstrahlt in freundlichem Grün.

Thomas Schindler (geboren 1959) ist einer der drei Künstler, die unter dem Titel „Antipoden II“ in der Städtischen Ausstellungshalle eine Auswahl ihrer Werke aus den letzten 15 Jahren vorstellen. Die anderen beiden: Michael Heckert (geboren 1950) und René Havekost (geboren 1950). Alle drei studierten zwischen 1976 und 1983 an der HBK Braunschweig Malerei, bei Lienhard von Monkiewitsch, Alfred Winter-Rust, Peter Voigt und Hermann Albert. Man erinnere sich: Die 1980er Jahre waren die große Zeit der neuen figurativen Malerei eines Rainer Fetting und Helmut Middendorf, von Elvira Bach, Salomé, der „Mülheimer Freiheit“ und anderen – längst schon wieder ein Stück Kunstgeschichte.

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6. November 2017

Ausstellung „Transparenz“ von Nejla Gür in Hannover-Ahlem

Auszug aus meiner Rede zur Eröffnung: Seit einiger Zeit beschäftigt Nejla Gür das Thema Lebensbahn, das sie auf langen Streifen und Fahnen von Malgrund gestaltet: Papier, Stoff und Folie, die sie mit Acylfarben bemalt. Dabei faszinieren sie vor allem Transparenz und Leichtigkeit des Materials, die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem sowie die Tatsache, dass die Bahnen, wenn sie frei im Raum von oben herabhängen, zwei Seiten haben; außerdem lassen sie sich beliebig fortsetzen und verlängern. Auf ihnen finden wir Frauen in Booten, Frauen mit Kindern oder mit einem dicken Knäuel, aus dem sich der Lebensfaden entwickelt – und abgeschnitten wird. Neu sind die Motive von Schere und Messer als Symbole für Bedrohung. Ein besonders schönes Material ist ein zarter, heller, locker gewebter Baumwollstoff von der Rolle aus der Türkei (die Frauen dort nähen ihre Kopftücher daraus). Ihn bearbeitet die Künstlerin im Verfahren der Cyanotypie, nach der Daguerreotypie und Talbotypie das dritte Verfahren zur Herstellung von fotografischen Bildern, das 1842 entwickelt wurde und auf Eisen beruht. Die Künstlerin legte Gegenstände auf den vorbereiteten Stoff, das sich durch die Strahlung von Sonnenlicht cyanblau verfärbt, wobei die abgedeckten Partien als Fotogramm weiß ausgespart bleiben.

Auf Nejla Gürs blauen Stoffbahnen zeichnen sich die weißen Silhouetten einer großen Distel, von Handfeger, Kehrblech und Paddel ab, ganz verschwommen auch der Kopf des Bürgermeisters von Dikili (für ein scharfes Profil ist er nicht lange genug geblieben, er hatte es eilig). Das Blau ist die Farbe von Himmel und Meer und des Gewandes der schwangeren „Madonna del Parto“, der „Madonna der Geburt“. Die Künstlerin hatte das große Glück, dieses wunderbare Fresko auf einer ihrer Reisen selbst zu sehen. Piero della Francesco schuf es Ende des 15. Jhs. für die Apsis der Friedhofskapelle Santa Maria in Silvis in Monterchi, einer kleinen toskanischen Gemeinde, und der russische Regisseur Andrej Tarkowsky hat ihm in seinem Film „Nostalghia“ ein unvergessliches Denkmal gesetzt.

Weiterhin bringt Nejla Gür in ihre Arbeiten Texte von Gedichten und traurig-schönen türkischen Volksliedern ein, die Weggehen, schmerzliches Sich-trennen-müssen und die Sehnsucht besingen. (Martin Luther-Kirche, Wunstorfer Landstr. 50b, Hannover Ahlem)

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13. Oktober 2017

Ausstellung: „Spot on…“ von Bärbel Moré im BBK Braunschweig

Aus meiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung: „Spot on…“ heißt es heute Abend. Im Scheinwerferlicht stehen Bärbel Moré und ihre Naturkunst. Doch nicht Kunst nach der Natur, sondern Kunst in, mit und über die Natur ist es, die sie seit über 20 Jahren bewegt.

Moré arbeitet auf den Feldern Malerei, Zeichnung, Druckgrafik, Künstlerbuch sowie Objekt und Installation. Sie studierte 1982-1988 Freie Kunst mit Schwerpunkt Malerei an der HBK Braunschweig bei Professor HP Zimmer. Zu ihrem Werk schrieb sie selbst: „Meine Malerei entwickelte sich aus der Dichte des Unbewussten, verlässt mit tanzender Bewegung das Bildformat. Das erprobte Collagieren erweitert sich zum Montieren, es entstehen Bildstelengruppen, Wandobjekte und schließlich Rauminstallationen.“ Viele dieser ortsbezogenen Installationen, die jeweils durch Atmosphäre, Geschichte, Architektur oder Funktion des Ortes beeinflusst sind, finden in der Natur ihren Platz oder thematisieren Natur und Vergänglichkeit. So auch die Arbeit „Kirschblütenfest“, im letzten Raum oben, mit einem Scheiterhaufen aus trockenen, dennoch blühenden Ästen, umgeben von Papierabdrücken menschlicher Torsi.

„Als Wechsel, ständige Wandlung empfinde ich auch das Dasein – fließend.“ Aus diesem grundlegenden Gedanken Morés und ihrer Verbundenheit mit der Natur heraus entstand 2017 eine Serie von gestisch-bewegten, zum Teil kalligraphischen Zeichnungen mit Tusche, Feder und Filzstift rund um die Vorgänge von Werden und Vergehen – keine Abbildungen von Pflanzen, sondern bildnerische Analogien zur Natur, die Keimen, Wachsen, Sprießen, Wuchern, Blühen, Welken modulieren. Tuschelavuren in variierenden, zarten Grautönen sowie dynamische Linien formen Kreise, Spiralen und Geäst, von denen korallenartige Gewächse, feine Tentakel, stilisierte Blüten, Blätter und Pilze aufstreben oder herabhängen. Samen sprühen und regnen, dichtes Gestrüpp ballt sich zusammen und vibrierende, wässrige Flecken von Tusche unterschiedlicher Farbkonzentration bilden Strukturen wie Maserungen eines Edelsteins aus.

Dabei scheint es sich um „Nahaufnahmen“ oder um Blicke durch ein Mikroskop auf geheimnisvolle Kleinstlebewesen zu handeln. Oft verdichten sich die organischen Formen und ein nächtliches Schwarzgrau in einem Teil des Blattes, während gegenüber lichtweiße Partien frei von Zeichnung bleiben; präzise, harte Linien setzen sich von weich fließenden Pinselspuren und sanften Farbschleiern ab. So lotet die Serie zugleich mit ihren Motiven parallel zur Natur auch den ganzen Kosmos zwischen Schwarz und Weiß, Linie und Fläche, Ruhe und Bewegung, Ordnung und Chaos aus.

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28. September 2017

Ausstellung: Carina Brandes im Kunstverein Wolfenbüttel


courtesy BQ, Berlin

Halb hinterfangen, halb umflattert von einem weißen Tuch wie die Nike von Samothrake, steht die junge, blonde Frau in der Landschaft. Dann wieder stürzt sie vor einem hohen Himmel auf den unteren Bildrand zu, während von rechts bedrohlich eine riesige Forke hereinragt. Oder sie umfasst, in einem verwilderten Garten auf dem Boden liegend, eine halbgeöffnete Pforte im Hintergrund. Ein andermal presst sie sich an eine weiße Wand, hinter einem Gitter aus schwarzen Balken. In weiteren Bildern kriecht sie rücklings eine nächtliche Straße entlang oder reckt, von Kopf bis Zeh mit dunkler Farbe bedeckt und gespannt wie ein Flitzebogen, eine Kalaschnikoff in die Höhe, die aus Kopf und Händen wie ein Körperteil herauswächst.

courtesy BQ, Berlin

Die junge Frau ist die Fotografin Carina Brandes, die ihre traumhaft-surreale Bildwelt nun unter dem Titel „Winding Stairs“ im Kunstverein Wolfenbüttel zeigt. Brandes, 1982 geboren in Braunschweig, studierte 2003 bis 2011 an der HBK Braunschweig und war Meisterschülerin von Walter Dahn. Heute lebt und arbeitet sie in Leipzig. Nach Einzelausstellungen unter anderem in Berlin, New York und Los Angeles war sie dieses Jahr an „Made in Germany“ in Hannover beteiligt, wo sie durch ihre sehr eigenen Bilderfindungen herausragte. Ausgezeichnet mit dem Villa Romana-Preis, hält sie sich zur Zeit in Florenz auf.

Ihre analogen Schwarzweiß-Aufnahmen, die sie in der Dunkelkammer selbst entwickelt und auf Barytpapier abzieht, präsentiert Brandes in Wolfenbüttel in Formaten von Briefpapier bis Lebensgröße, konzentriert und hoch ästhetisch auf weißen und schwarzen Wänden. Meistens inszeniert sie sich selbst, manchmal zusammen mit ihr ähnlichen Frauen, die wie Doubles erscheinen. Schauplätze sind häufig Randgebiete wie Industriebrachen, verschneite Felder oder verlassene Parks, wo Zivilisation und Natur ineinander übergehen. Die Protagonistinnen sind so gut wie nie als Individuen erkennbar. Haare, Kleidungsstücke oder Requisiten wie Tiermasken verdecken die Gesichter. In kreatürlicher Nacktheit agieren sie spielerisch in mal poetischen, mal unheimlichen Szenarien – universelle Seelenbilder, in denen wir Teile unseres inneren Selbst entdecken können.

courtesy BQ, Berlin

Ist das nun Frauenkunst? Davon grenzt Brandes sich ganz klar ab: „Natürlich mache ich mir Gedanken um feministische Themen, aber ich bin keine Feministin. Vielleicht so etwas wie eine Post-Feministin. Da sind noch ganz viele andere Aspekte. Ich benutze meinen Körper frei, ich will nichts mehr darstellen, nicht mehr für bestimmte Inhalte einstehen. Mein Körper ist einfach wie ein Medium, das ich benutze.“ Und ganz nüchtern: „Der Körper ist für mich ein Gegenstand, den ich immer mit mir herumtrage. Ich war Kunstturnerin, mich interessiert der Körper im Zusammenspiel mit Form und Gegenstand.“ Ihre schöne Ausstellung sollte man auf keinen Fall versäumen. (Bis 22. 10., Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 4, Öffnungszeiten: Mo-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr und nach Vereinbarung.)

 

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17. September 2017

Ausstellung: Fünf Mal Gudrun Brüne in Braunschweig

 

Frei nach Leonardo da Vinci sitzen Christus und die Jünger unter dem riesigen Auge Gottes beim Abendmahl. Ihre Gewänder leuchten blau, gelb, rot. Doch der Meister ist eine gesichtslose Puppe, und die Jünger tragen glatte, starre Masken. „Ich wollte Jesus nicht durch ein Gesicht verstellen“, erläutert die Malerin Gudrun Brüne, „und die Jünger verstecken sich. Jeder fragt sich insgeheim angstvoll, ob er der Verräter sein wird. Ja, jeder könnte es sein.“ Das wandfüllende Gemälde gab Joachim Prüsse bei Brüne für seine Sammlung in Auftrag. Nun hat er der Künstlerin in Jakob-Kemenate, Kemenate Hagenbrücke, im Augustinum, im Bankhaus Löbbecke und in der Stadthalle unter dem Titel „Traum und Wirklichkeit“ fünf Ausstellungen ihrer nach 1989 entstandenen Bilder, Grafiken und Aquarelle ausgerichtet; im Hauptbahnhof wird auf diese Ausstellungen hingewiesen.

Gudrun Brüne, 1941 in Berlin geboren, studierte nach einer Buchbinderlehre ab 1961 Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, unter anderem bei Bernhard Heisig, den sie 1991 heiratete. Von 1966 bis 1977 arbeitete sie freischaffend und zeitweise als Mitarbeiterin in Heisigs Atelier. Von 1977 bis 1999 lehrte Brüne an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. 1987 wurde sie mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet, 1988 stellte sie auf der Biennale in Venedig aus. In bester ostdeutscher Tradition noch an Otto Dix geschult, versteht sie das Handwerk der Malerei. Dabei legt sie höchsten Wert darauf, dass Form und Inhalt sich schlüssig miteinander verschränken, das sei heute nicht mehr selbstverständlich. Ihre Form ist die gegenständlich-realistische Malerei, ihre Stoffe sind häufig Puppen und Masken, denen sie vielfach düstere Blicke auf Mensch und Welt abgewinnt. Auf vielen ihrer Bilder türmen sich zerbrochene Puppen mit abgerissenen Köpfen und erinnern an Fotografien der furchtbaren Leichenberge in deutschen Konzentrationslagern. In einem Triptychon hat sie „Guernica“, dem bedeutendsten Gemälde der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Anhäufungen von Puppen vorgeblendet, plastisch und farbig vor Picassos flächigen Formen in Schwarz, Weiß und Grau. Die Puppe ist für Brüne ein Abbild menschlicher Wehr- und Sprachlosigkeit. „In der DDR sollten wir passive Puppen sein, und im Westen ist der Mensch auch nur eine manipulierbare Puppe.“ An der Maske dagegen interessiert sie vor allem das Phänomen, dass manche Masken überhaupt erst das wahre Gesicht entlarven, so etwa in dem Bild „Vorstand“: „Diese Männer tragen Masken, aber sie sehen tatsächlich genau so aus.“

Neben solchen bedeutungsvollen Gemälden, oft in großen Formaten, sind die „kleineren“ Portraits, Landschaften, Stilleben und Blumen bescheidener im Anspruch und damit oft auch glücklicher nur sie selbst. Sie sind Stoff, Inhalt und Thema zugleich. An Gudrun Brünes Malerei können sich durchaus die Geister scheiden, doch eine respektvolle Betrachtung haben sie auf jeden Fall verdient. (Bis 1. 12. 2017, Jakob-Kemenate, Eiermarkt 1a, Öffnungszeiten: Montag bis Sonnabend 11 – 17 Uhr, Sonntag 12-17 Uhr; Kemenate Hagenbrücke, Hagenbrücke 5, Dienstag bis Sonnabend 11-17 Uhr, Sonntag 12-17 Uhr; außerdem Augustinum, Am Hohen Tore 4a, Bankhaus Löbbecke, An der Martinikirche 4, und Stadthalle)

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6. September 2017

Ausstellung „Rosa Paraphrasen“ von Helmut J. Psotta bei Geyso20

Helmut J. Psotta. Helmut – wer? Ach, den kennen Sie nicht? Das lässt sich jetzt ändern, denn die Galerie Geyso20 widmet im 25. Jahr ihres Bestehens dieser eigenwilligen Position der 1960er bis 1980er Jahre abseits des Mainstream eine Einzelausstellung.

Helmut J. Psotta, 1937 in Bottrop in einfachen Verhältnissen geboren, musizierte, malte und dichtete schon als Kind. 1955 begann er eine Lehre zum Glasmaler und besuchte daneben Abendkurse an der Folkwangschule in Essen. Ab 1957/58 studierte er dort angewandte Malerei bei Max Burchartz, ab 1959/60 Metallgestaltung (Email) in Düsseldorf bei Lili Schultz. Nachdem er 1961 mit Glasfensterentwürfen für eine Kirche in Santiago de Chile einen internationalen Wettbewerb gewonnen hatte, übernahm er 1963 die Leitung des Lehrstuhls für Sakralkunst an der dortigen Katholischen Universität. 1967-1982 lehrte er vor allem in den Niederlanden. 1982 ging er nach Lima und gründete dort eine Künstlergruppe. Seit 1998 lebte Psotta in Berlin, wo er sich der Fotografie zuwandte. Von 2007 bis zu seinem Tod arbeitete er ausschließlich auf dem Gebiet der Zeichnung.

Ein wandfüllendes Tableau von 24 Zeichnungen/Collagen, die in den 1990er Jahren entstandene Folge der „Rosa Paraphrasen“, zieht denn auch in der Ausstellung mit Macht alle Aufmerksamkeit auf sich. Hier dreht sich alles um Rosa, die Mutter des Künstlers, die in der Fotokopie eines Kinderfotos anwesend ist. Das lichte, gleichsam entschwindende Portrait lässt sofort an das Kinderbild einer anderen Mutter denken, der von Roland Barthes; ausgehend von dieser Aufnahme entwickelte der Philosoph 1980 in „Die helle Kammer“ seine Reflexionen über das Medium Fotografie. Bei Psotta erscheint das Mädchen wie eine Märtyrerin, mal klein und eingeschlossen in einen Kokon von fleischlichen, auch phallischen oder vaginalen Formen; mal groß und mit weißen Bandagen umwickelt, vergittert oder von einem Kreuz wie durchgestrichen. Schwarz, Grau, ein dunkles Rot und manchmal der silbrige Glanz von Graphit dominieren diese Blätter, von denen jedes einzelne eine düstere, seltsam physische Intensität ausstrahlt, vergleichbar mit Zeichnungen von Louise Bourgeois.

Schmerz, Verletzung, Unterdrückung, Folter, Tod und Sexualität waren Psottas Lebensthemen. In einer Zeichnunge/Collage der Reihe „Pornografie“ (1978/79) hat er nackte Leiber, Schriftfetzen, Briefumschläge und immer wieder die Portraits von Rosa und Ulrike Meinhof mit einer Struktur aus Andreaskreuzen und sechseckigen Sternen zu einem unendlichen Rapport verwoben. In einem prall gefüllten Blatt einer Serie für seinen Lebensgefährten Klaus (1980)  taucht dessen Kopf auf, umgeben von Körperfragmenten, Liebespaaren und Schmetterlingen, dem Symbol der unsterblichen Seele. Keine leichte Kost, dieser Helmut J. Psotta, aber unbedingt sehenswert. (Bis 6. 10., Galerie Geyso20, Geysostr. 19, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 13-17 Uhr und nach Vereinbarung)

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25. August 2017

Ausstellung: Papierreliefs von Emil Cimiotti im Sprengel Museum Hannover

„… das leere Blatt – ein großer Bogen – glatt und anonym. Besprengt mit Farbe, setzt es unmittelbar die Fantasie in Gang. … so etwas wie ein Motiv bildet sich, und sogleich sieht er räumlich, denn er ist Bildhauer. Um es zu konzentrieren, greift er zur Schere, schneidet es ein, isoliert es vom Hintergrund…“ So lautet eine der Notizen von Emil Cimiotti zu seinen in den letzten zwei Jahren entstandenen Papierarbeiten. Fünfzehn davon zeigt nun das Sprengel Museum in Hannover in einer kleinen, feinen Ausstellung zum 90. Geburtstag des Künstlers und ehemaligen Professors der HBK Braunschweig am 19. August dieses Jahres.

Große Skulpturen kann der Bildhauer in diesem hohen Alter nicht mehr bewältigen. Doch was auf den ersten Blick als Ausweichen auf das „leichtere“ Material Papier erscheinen mag, ist eine konsequente Fortsetzung seines Werks mit anderen Mitteln. Die Papiere, mit streifigem Pinselstrich in schwarzbraunen und erdig-roten Farbtönen bemalt, wölben sich, gewellt, geknittert oder scharf gefaltet, zum Relief. Manche sind aus zwei verschiedenfarbigen, spiegelbildlichen Teilen zusammengefügt, bei zweien bilden sphärisch gedrehte Papierstreifen in Schwarz und einem matten Bronzeton jeweils ein Oval. Die abstrakten Figurationen belebt eine räumliche Oberflächenstruktur, die der Natur abgesehen ist, etwa einem vom Wasser überspülten Sandstrand. „Unübersehbar bleibt die Natur Cimiottis Schaffensgrundlage, ist Gradmesser und Bezugsgröße aller Formfindung, Taktgeber für Rhythmus, für das Grundgefühl des Schaffens, Entstehens, Werdens von Formen und ihrem Vergehen, so wie es den Lebensrhythmen von Flora und Fauna in der Natur eingeschrieben ist“, so Museumsdirektor Reinhard Spieler im Katalog zur Ausstellung.

Den Bezug zu Cimiottis Skulpturen verdeutlichen in der Ausstellung zwei Bronzen aus dem Jahr 1991, die mit den Papierarbeiten an den Wänden korrespondieren: Auch diese sind bei aller Dreidimensionalität von der Fläche her gedacht, der „Confinboden“ als von unsichtbaren Kräften gefaltete Landschaftsformation, die „Pyramide“ als aus dreieckigen Teilstücken zusammengesetztes Gebilde. Beide scheinen zu schweben und durch Öffnungen und Durchbrüche der Schwerkraft entkommen zu wollen. Doch diese zu überwinden, gelingt erst den Papierreliefs mit schönster Leichtigkeit. Herzlichen Glückwunsch dem Meister, auch zu dieser neuen Werkgruppe, und weiterhin viel Schaffenskraft und Freude für die nächsten Jahre! (Bis 19. 11., Sprengel Museum Hannover, Kurt-Schwitters-Platz, Öffnungszeiten: Dienstag 10 – 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 – 18 Uhr)

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19. August 2017

Ausstellung „Remember the Promise“ von Elisabeth Stumpf im Kunstverein Wolfenbüttel

„Wir würden gerne zu diesen lustigen Trauminseln reisen!“ hat eine 6. Klasse nach ihrem Besuch der neuen Ausstellung „Remember the Promise“ von Elisabeth Stumpf ins Gästebuch des Kunstvereins Wolfenbüttel geschrieben. Ja, wer würde das nicht? Denn die lustigen Trauminseln sind knallblaues Meer, sanft gewellte Hügelketten und rosig-gelbe Sonnenaufgänge, gebildet aus überlappenden Schichten farbigen Tülls, mit ähnlicher Wirkung wie ein Aquarell. Ach, sooo schön romantisch ist das – wie die sehnsuchtsvollen Landschaften von Caspar David Friedrich. Auch die Familie davor scheint von solchen Gefühlen ergriffen, Urlauber in gelben Gummistiefeln und geblümtem Hemd. Die Idee der Landschaft als ein idealer Ort der Existenz tauche immer wieder in ihren Arbeiten auf, so die Künstlerin. Doch Lametta verhüllt die Gesichter der lebensgroßen Puppen, Lamettagirlanden rahmen die Idyllen ein, führen sie ad absurdum und wenden sie ins Ironische. Von der, ach, so deutschen Kunst der Romantik bleibt nichts als Trash, Jahrmarktrummel, Schießbudenfiguren – erinnere Dich an das Versprechen…

In einem weiteren Raum zeigt Stumpf, die 2005-12 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig studierte und Meisterschülerin von Bogomir Ecker war, farbig glasierte Keramiken, die Figuren der „Faker“ und Figurengruppen mit kindlicher Anmutung wie „Paradise Island“ oder „Space between your Mind“. Elemente dieser bunten Torten sind kitschige Accessoires wie Herzen und immer wieder Totenköpfe. Sie lassen an den „Tag der Toten“ denken, an dem in Mexico mit einem Volksfest, Gräbern aus Zuckerwerk und fröhlichen Feiern auf den Friedhöfen der Verstorbenen gedacht wird. Ganz nett und amüsant, diese Ausstellung, macht aber nicht richtig satt. (Bis 16.9., Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstraße 1, 38300 Wolfenbüttel, Mi bis Fr 16–18 Uhr, Sa und So 11–13 Uhr )

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6. August 2017

Ausstellung: Meine Documenta 14 in Kassel

Pedro Cabrita Reis

Niemals habe ich auf einer Documenta, der weltgrößten Ausstellung zeitgenössischer Kunst, eine solche Fülle an konventionellen, mittelmäßigen Werken aus den 1930er bis 1970er Jahren und auch von heute gesehen! Viele davon mögen Zeugnisse von Nonkonformismus sowie Widerstand gegen Krieg, Diktaturen, Kolonialismus und Ausbeutung sein – große künstlerische Erfindungen sind sie nicht. Das beginnt mit der Sammlung des EMST, des Museums für zeitgenössische Kunst Athen, die im Friderizianum, dem zentralen Ausstellungsort, völlig deplaziert ist. Nur drei beachtliche Werke, von Pedro Cabrita Reis, Mona Hatoum und Bill Viola finden sich dort, doch neu sind sie nicht. Und in der Documentahalle, der Neuen Galerie und der Alten Hauptpost hört es noch lange nicht auf…

Britta Marakatt-Labba

Nilima Sheik

Natürlich man kann in dieser Fülle auch einige Entdeckungen machen: den volkstümlichen Wandbehang der samischen Künstlerin Britta Marakatt-Labba. Die jüdische Malerin Erna Rosenstein, die Rumänin Geta BrÄtescu, die Inderin Nilima Sheik mit einer Rauminstallation feiner Malerei oder die exzentrische Lorenza Böttner (Transgender ohne Arme). Den Vorhang aus Rentierschädeln der samisch-norwegischen Künstlerin Máret Ánne Sara. Die dokumentarischen Schwarzweißaufnahmen des Magdeburgers Ulrich Wüst. Die Sozialreportagen der palästinensischen Fotografin Ahlam Shibli. Doch weltbewegend ist nichts davon. Und abstrakte Strohhalm-Collagen (Otto Holzapfel, DDR)? Ein Menstruationsengel (Cecilia Vicuña, Chile)? Schwarze Seife (Otobong Nkanga, Nigeria)? Ein von Aborigines geschaffenes Wandbild bebrillter Känguruhs? Da habe ich mich schon schwer gewundert.

Marta Minujín

Viel besser als erwartet „funktioniert“ dagegen der „Parthenon der Bücher“ der Argentinierin Marta Minujín, das Wahrzeichen der Documenta 14 auf dem Friedrichsplatz. All diese Bücher waren oder sind irgendwo auf der Welt verboten, viele wurden 1933 von den Nazis genau hier verbrannt. Als ich abends nach Kassel hineinfuhr, ragten die mit transparenter Folie umkleideten Säulen in den Abendhimmel hinein, die aufrecht stehenden Bücher darin zeichneten sich als dunkle Silhouetten im Gegenlicht ab. In der Mittagssonne des nächsten Tages glitzert das Ganze wie ein riesiges Mosaik, und die Stahlkonstruktion wirft ein feines Liniennetz von Schatten auf den Boden. Menschen sitzen auf den Stufen. Der Parthenon ist nicht nur Programm und Wahrzeichen der Ausstellung mit ihrem Motto „Von Athen lernen“, sondern überzeugt auch ästhetisch.

Sehr gut gefallen mir auch die beiden gegenüberliegenden Türme der Torwache, die Ibrahim Mahama aus Ghana mit Flickenteppichen aus hunderten von Jutesäcken in allen nur erdenklichen Brauntönen verhängt hat. In ihnen, manche mit der Aufschrift „Product of Ghana“, wurde Kakao, Kaffee, Reis, Bohnen oder Holzkohle nach Amerika und Europa verschickt. Der Künstler „hat sie dem globalen Warenkreislauf entzogen. Ihre Löcher, Verfärbungen, ausgebleichte Stellen, machen sie zu Zeugen: Hier die Profiteure im Westen – dort die wenig lukrative Rohstoffgewinnung und schlecht bezahlte Handarbeit auf dem afrikanischen Kontinent.“ (Tanja Küchler von hr2-kultur in ihrem Beitrag „Verdammt hässlich – verdammt schön“ vom 12.06.17 auf hessenschau.de) Genau wie beim Parthenon gehen hier politische Botschaft und künstlerische Form eine gelungene Synthese ein.

Miriam Cahn

Miriam Cahn

Die stärksten Eindrücke habe ich mitgenommen von einem Raum mit Bildern der Schweizerin Miriam Cahn, die einen sehr eigenen malerischen Ausdruck für die Not der Flüchtlinge gefunden hat. Und von dem israelischen Künstler Roee Rosen. Er zeigt in der Grimmwelt einen umfangreichen Zyklus von Zeichnungen (Tinte, Aquarell, weiße Kreide, Graphit, Collage) zu Shakespeares Drama „Der Kaufmann von Venedig“. Parallel dazu hat er eine zweite Geschichte aus der Perspektive des jüdischen Geldverleihers Shylock erfunden. Da sie von der Blendung Shylocks erzählt, wird sie von linearen Zeichnungen illustriert, die Rosen mit geschlossenen Augen angefertigt hat. Das ist Kunst, die Auge und Geist intensiv beschäftigen kann.

Roee Rosen

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