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16. März 2022

Ausstellung: PreisträgerInnen der Villa Romana im Kunstverein Braunschweig

Den jungen Mann hätte man früher einen „Wilden“ oder „Primitiven“ genannt. Der Indigene, eine aus Holz geschnittene Silhouette, steht mit zwei ähnlichen Figuren in der Rotunde des Salve Hospes, in deren Wandnischen klassizistische Statuen Platz gefunden haben. Dieser aus dem Geiste des antiken Griechenland geborenen europäischen Kunst erklärt der Indigene gewissermaßen den Krieg, denn hinter ihm ragen nicht nur weitere Arme und Beine hervor, sondern auch Gewehre; ihre Anordnung erinnert an Leonardos „Vitruvianischen Menschen“. Neben ihm eine asiatische „Genossin“ in traditionellem Kleid und Kopfschmuck und – einer Granate in jeder Hand. Eine – ziemlich plakative – Kampfansage auf der ganzen Linie!

Die drei Figuren hat die Amerikanerin Rajkamal Kahlon (geb. 1974) geschaffen, die Malerei, Zeichnung und Collage als künstlerischen Widerstand gegen den Kolonialismus und seine Ausläufer einsetzt. Sie gehört zu jenen zwölf Künstlerinnen, die in den vergangenen drei Jahren den Preis der Villa Romana in Florenz erhielten und, zusammen mit einem Art Research Fellowship Gastkünstler, ihre Arbeiten nun im Kunstverein Braunschweig ausstellen. (Der Villa Romana-Preis ist der älteste deutsche Kunstpreis. Seit 1905 wird er jährlich an vier junge Künstler verliehen. Er ist mit einem mehrmonatigen Arbeitsaufenthalt im Künstlerhaus Villa Romana, einem freien Atelier sowie einem monatlichen Stipendium verbunden.) Ihre Werke sind ein vielfältiger Medienmix aus Malerei, Zeichnung, Skulpturalem, Installation und Video, viele von ihnen illustrieren aktuelle politische Diskussionen.

Mit dem Kolonialismus und seinem Erbe hat sich auch die Chilenin Marcela Moraga (geb. 1975) beschäftigt. Ihre Videoinstallation behandelt den Genozid an den indigenen Völkern in Feuerland. Ausgangspunkt für Moragas Recherche war die Sammlung des ersten anthropologischen Museums Italiens in Florenz sowie ein Buch des Museumsgründers, das im Video aufgeblättert wird. Auf dem Audiokanal hört man dazu den Bericht eines deutschen Missionars über jenen Genozid. Auf einem weiteren Monitor sind Aufnahmen von Michelangelos David im Wechsel mit solchen von der Statue eines indigenen Jungen aus dem Florentiner Museum zu sehen; beide Skulpturen begegnen sich auf Augenhöhe. Diese Inhaltsbeschreibung mag sich dröge lesen – die Arbeit selbst ist es keineswegs, sondern hat auch eine überzeugende ästhetische Form angenommen.

Das deutsche Künstlerinnen-Duo Lydia Hamann und Kaj Osteroth (geb. 1977 und 1979) zeigt im Medium der Malerei auf, dass nur ein winziger Bruchteil der Werke in den Uffizien und in der Berliner Gemäldegalerie von Frauen stammen – inzwischen eine Binsenweisheit. Diesen Ausnahmen sind die Bilderserien, „Glamshot Firenze“ und „Glamshot Berlin“ gewidmet, die – gekonnt und hübsch anzusehen – Ausschnitte aus Gemälden berühmter Malerinnen von der Renaissance bis zum Klassizismus kopieren oder zitieren.

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12. März 2022

Ausstellung „Das letzte Abendmahl“ in der Jakobkemenate, Braunschweig

„Möchte der Herr nicht lieber einen Einzeltisch, oder erwartet er noch jemanden?“ Der so vom Kellner befragte Gast im Ristorante da Vinci zieht als Antwort ein langes Gesicht. Es ist Jesus, der da sitzt, in unsere Gegenwart zurückgekehrt, an der mit weißem Tischtuch gedeckten Tafel aus Leonardos berühmtem Mailänder Wandgemälde „Das letzte Abendmahl“. Einsam harrt er seiner zwölf Jünger – doch sie kommen nicht. Haben die Menschen heute keine Zeit mehr für ihn und seine Botschaft, haben sie ihn gar völlig vergessen?

Der Cartoon von Gustav Glück aus dem Jahr 2015 gehört zur Sammlung von bis jetzt zehn Abendmahlsdarstellungen der Stiftung Jürgen und Karin Prüsse. Alle zehn werden nun in einer Ausstellung in der Jakob-Kemenate gezeigt, für die Dauer der Fastenzeit, von Aschermittwoch bis Gründonnerstag, dem Tag des Abendmahls. Jochen Prüsse hat die meisten dieser Arbeiten bei Künstlerinnen und Künstlern in Auftrag gegeben, die eine Einzelausstellung in der Jakob-Kemenate hatten. Nun wollen er und seine Frau mit der Ausstellung für die Zeit vor Ostern zum Nachdenken über die Passionsgeschichte, den Kreuzestod Christi und die Auferstehung anregen.

An Leonardo da Vinci haben sich außer Glück noch andere Künstler abgearbeitet, allen voran Ben Willikens, der von 1982 bis 1991 eine Professur für Malerei und Graphik an der HBK Braunschweig innehatte. Er wurde bekannt mit in reinen Weiß- und Grautönen sehr akkurat und ohne jegliche Pinselspur gemalten, kühl und steril wirkenden Interieurs. In diesem Stil erschuf er 1979 auch Leonardos „Abendmahl“ neu, als einen in kalt-gleißendes Licht getauchten Raum, aus dem Christus und die Jünger getilgt sind. Gerade diese Leere ist es, die Willikens‘ Abendmahlsdarstellung als so paradigmatisch für unsere Zeit erscheinen lässt: Das Heilsgeschehen ist unvorstellbar, der Glaube daran erschüttert oder ganz abwesend.

Auch bei Gudrun Brüne, bereits in der DDR eine erfolgreiche Malerin, ist Christus eine Leerstelle, eine gesichtslose Gliederpuppe. Sie hat sich in ihrem großen Gemälde von 2017 am engsten an die Figurenkomposition Leonardos gehalten, doch die Jünger verbergen hier ihre Gesichter unter glatten, weißen Masken. Dazu die Künstlerin selbst: „Ich wollte Jesus nicht durch ein Gesicht verstellen, und die Jünger verstecken sich. Jeder fragt sich insgeheim angstvoll, ob er der Verräter sein wird. Ja, jeder könnte es sein.“ Sie nimmt also die menschlichen Reaktionen der zwölf Männer – und auch Frauen – auf die Ankündigung des Verrats in den Fokus.

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15. Februar 2022

Ausstellung „Pandemische Collagen“ von S. Neuenhausen im Kunstverein Wolfenbüttel

In geballten Wolken schwebt ein riesiges schwarzes Gestirn über eine Reihe von Hochhäusern. Eine Figur mit ausgestreckten Armen steht in einem Wirbel kreisender Linien. Neun Hüte bilden ein Quadrat, darüber zwei Hände mit erhobenem Zeigefinger. Motive aus der neuen Folge „Pandemische Collagen“ des alten Siegfried Neuenhausen, die nun im Kunstverein Wolfenbüttel gezeigt wird. Material für diese Arbeiten war die Restauflage der Holzschnitt-Serie „Deutsch-deutsche Drucke“ von 1990, die der Künstler zerschnitt und neu zusammenfügte. Dabei ergab sich nicht nur Gegenständliches, sondern vor allem reizvolle grafische Strukturen: Streifen, Gitter, konzentrische Kreise. „Störfaktoren“ und dinghafte Einsprengsel durchbrechen und beleben diese Grundmuster.

Doch: „Ich war nie ein Künstler, der nur im Atelier vor sich hin gearbeitet hat“, stellt Neuenhausen, im Künstlergespräch zur Eröffnung klar. Nein, wahrhaftig nicht! Zwar studierte er 1952 bis 1959 Neuenhausen an der Kunstakademie Düsseldorf ganz klassisch Malerei (bei Georg Meistermann) und Kunsterziehung, war anschließend in Hannover als Kunstpädagoge tätig und erhielt 1964 eine Professur an der HBK Braunschweig. Aber dann ging’s los: Seine Arbeiten wuchsen in die dritte Dimension hinaus und in die Popart hinein. „Damit warst Du damals der Modernste an der HBK“, so Gesprächspartner Lienhard von Monkiewitsch. In den 1970er Jahren entwickelte sich Neuenhausen dann mit Skulpturen à la Edward Kienholz, z.B. von gefolterten Gefangenen, zum politisch engagierten Künstler. Gleichzeitig suchte er in der Lehre nach neuen Formen, holte etwa beim Aktzeichnen zwei Obdachlose als Modelle. Dabei entstanden nicht nur Zeichnungen, sondern, aus menschlichem Interesse heraus, auch Plastiken, Fotos, Reportagen. Neuenhausens humanitär begründetes Engagement für Benachteiligte und Leidende führte 1979 in Bremen zu einem ersten soziokulturellen Projekt mit Strafgefangenen, die an die Steinbildhauerei herangeführt wurden und dabei ganz neue Fähigkeiten an sich entdeckten. Diese Werkstatt – heute sind es drei – ist in der Strafanstalt seit 40 Jahren fest angesiedelt, die Arbeitsergebnisse sind dauerhaft ausgestellt, 11 Künstler arbeiten dort. „Da war Kunst wirklich politisch, denn sie hat Realität verändert“, stellt Neuenhausen fest. Dieser Pioniertat folgten ähnliche Projekte mit Psychiatriepatienten in Hamburg-Ochsenzoll und Wunstorf sowie in Hannover-Hainholz mit den Bewohnern dieses Stadtteils, darunter viele Migranten. Dort hat der Künstler 1983 eine Schnapsfabrik erworben, als Ateliergebäude und „Gesamtkunstwerk, wo die Kunst von innen nach außen, in den Stadtteil hinein wirken soll“. Für sein Engagement erhielt Neuenhausen 1988 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.

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9. Dezember 2021

Herzog Anton Ulrich-Museum erhält 50 Graphiken von Gerd Winner

„Time Square New York. Eine urbane Metamorphose“. Dieses 1984 geschaffene, aber jetzt erst verlegte Portfolio mit 50 Alugraphien des in Liebenburg lebenden Künstlers Gerd Winner wurde am Donnerstag dem Herzog Anton Ulrich-Museum feierlich übergeben. (Alugraphien sind Lithographien, die nicht vom Stein, sondern von einer Aluminiumplatte gedruckt sind.) Ermöglicht hat dies die Baudis Bergman Rösch Holding GmbH (BBR), die das Portfolio erworben und dem Museum geschenkt hat.

„Die Stadt forderte mich künstlerisch heraus“, begann Winner, Professor an der Akademie der Bildenden Künste München, seine Rede, in der er den Lebensweg durch „seine“ Städte Revue passieren ließ. Die Initialzündung war dem 1936 Geborenen der Kulturschock seiner von Bomben getroffenen Heimatstadt Braunschweig. Die nächste Station: das nicht minder kriegszerstörte, zweigeteilte Berlin, wo er 1956 bis 1962 an der HBK Malerei studierte. Die Auseinandersetzung mit antiken Stadtkulturen (Peloponnes, Kreta), Städten der jüdisch-christlichen (Jerusalem, Jericho, Kapernaum) und der arabischen Kultur sowie der Vision der ewigen Stadt Jerusalem folgten. Letztere, in der Apokalypse als Hoffnungsziel geschildert, weckte Winners Interesse an den Megastädten Tokyo und New York, wohin er 1972, nach einem London-Aufenthalt, erstmals reiste. Das Erlebnis des Time Square mit seiner Werbung und den ständig wechselnden Lichtspielen grub sich in sein Gedächtnis und fand über 20 Jahre später in den Graphiken besagter Mappe seinen künstlerischen Ausdruck.

Als „Lehrstück von Technik und Transzendenz“ sowie als Schlüsselwerk in Winners Œuvre bezeichnete Thomas Döring, Leiter des Kupferstichkabinetts des Herzog Anton Ulrich-Museums, die 50 Graphiken, von denen im Kabinett 24 präsentiert waren. Nach den malerischen Siebdrucken der „traumhaft in sich ruhenden Londoner Docklands“ von 1972, ebenfalls im Bestand des Museums, leiteten die Alugraphien von 1984 mit ihren filigranen Strukturen in Schwarz-Weiß, ergänzt um eine Tonplatte in warmem Grau, ein neues Kapitel ein. Sie zeigen angeschnittene Ansichten von Hochhausarchitekturen, basierend auf fotografischen Doppelbelichtungen, schräge, sich ins Lichte auflösende Perspektiven, durchwoben von der Schrift der Billboards. Sie muten kubistisch und zugleich atmosphärisch an. Das realiter Gesehene wird so transformiert, in eine urbane Metamorphose überführt.

Eine große Bereicherung für das Kupferstichkabinett sei diese Schenkung, so Döring, der Winners Arbeiten als „Fluchtpunkt“ ein Blatt aus der Serie der phantastischen „Carceri“ (Kerker) von Giovanni Battista Piranesi von 1761 gegenüber gestellt hatte. Dies, um das kunstgeschichtliche Umfeld zu demonstrieren, in den „Time Square New York“ nun eingebettet sei. Winner habe gut 200 Jahre nach Piranesi dessen surreale Architektur „nachvollzogen als Utopie bzw. Dystopie, die nirgendwo hinführt.“

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3. Dezember 2021

Ausstellung „Wunderhaus“ von Chinatsu Ikeda im Kunstverein Wolfenbüttel


Welch ein Kontrast! Draußen: alles deprimierend trüb, grau, regnerisch. Dann öffnet man die Tür zum Kunstverein Wolfenbüttel und steht im „Wunderhaus“ der japanischen Künstlerin Chinatsu Ikeda, mitten in einem Rausch der Farben! Fußboden und eine Wand des großen Raumes leuchten osterglockengelb; Grasgrün und Weiß dominieren in den anderen beiden Räumen. An den Wänden hängen und stehen auf Regalböden die knallbunten Bilder und Objekte von Chinatsu Ikeda. Doch was heißt schon „hängen und stehen“, hat doch die Künstlerin die Präsentation ihrer Arbeiten installativ gestaltet und alle drei Räume komplett verwandelt. Ornamentale Malereien schmücken die Wände, und um die einzelnen Arbeiten ranken sich langstilig-verschlungene Blumen aus Papier.

Die Bilder, vorwiegend Aquarelle, zeigen Pflanzliches und Landschaftliches, manchmal pointillistisch aufgelöst in Reihen von farbig modulierten Pünktchen, manchmal mit aus farbigem Papier ausgeschnittenen Formen. Unter den Objekten finden sich Blumenvasen, Tassen und Becher aus bemaltem Pappmachée, Zahnbürsten, Latschen sowie Gitarren, dreidimensional geschaffen aus farbigem Karton. Sie erinnern zurück an Picassos Gitarren aus seinen Bildern der Phase des synthetischen Kubismus ab 1912 und an seine plastischen Gitarren, ebenfalls aus Karton geformt. Doch diese sind meistens in Braun- und Beigetönen gehalten, während Ikedas Instrumente bunt sind. So bunt wie die Gemälde von Picassos Zeitgenossen, Freund und Antipoden Henri Matisse, der als zweiter großer Pate über ihren Arbeiten und dieser Ausstellung steht. Von seinen Scherenschnitten sind Ikedas Cutouts inspiriert, von seinen stilisierten Blättern ihre Pflanzenformen, von seinem Kolorismus ihre Buntfarbigkeit.

Das alles ist getragen von einer wunderbaren Verspieltheit, dass einem ganz leicht und froh ums Herz wird. Hatte nicht Matisse ein Leben lang „von einer Kunst des Gleichgewichts, der Reinheit, der Ruhe“ geträumt, „einer Kunst, die für jeden Geistesarbeiter (…) ein Beruhigungsmittel ist, eine Erholung für das Gehirn, so etwas wie ein guter Lehnstuhl, in dem man sich von physischen Anstrengungen erholen kann“? Das „Wunderhaus“ jedenfalls macht dem Novemberblues garantiert den Garaus.

Chinatsu Ikeda begann 2007 ihr Studium an der School of the Art Institute, Chicago, das sie mit einem Master in den Schönen Künsten, in Malerei und Zeichnung abschloss. Sie lebt und arbeitet in Berlin. (Bis 19.12., Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 1, 38300 Wolfenbüttel, Öffnungszeiten: Mi bis Fr 16–18 Uhr, Sa und So 11–13 Uhr).

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23. Oktober 2021

Ausstellung „Scene or Scenery“ im Kunstverein Wolfenbüttel

Foto: Gertrud Färber

Ein sehr dunkler Innenraum. Durch schmale Fenster fällt Licht auf eine glänzende Tischplatte; ein wuchtiger Ledersessel vor dem Tisch wird an seinen Lichtkanten sichtbar. Das Ganze ein winziges Polaroid in einem großen Rahmen. Wirklich? Beim zweiten Hinsehen erkennt man, dass es sich um eine veritable Zeichnung mit schwarzer Ölkreide auf weißem Papier handelt.

Kohlezeichnung von Steffen Kern (Foto: Gertrud Färber)

„Scene or Scenery?“ lautet die Frage zur Zeit im Kunstverein Wolfenbüttel. Unter diesem Titel zeigen Stefanie Hofer (geb. 1974) und Steffen Kern (geb. 1988), beide Meisterschüler von Karin Kneffel, Druckgraphik und Zeichnungen. „Scene“ ist in etwa mit „Ort, Schauplatz, Bühne“, „Scenery“ mit „Landschaft, Kulisse, Dekoration“ zu übersetzen. Eine Ambivalenz zwischen etwas Natürlich-Realistischem und etwas Künstlich-Fiktivem klingt in beiden Worten an. Und in eben dieser Ambivalenz sind die Arbeiten von Kern und Hofer zu verorten.

Stefanie Hofer: Materiality (2021), Aquatinta (Foto: Gertrud Färber)

Beide Künstler arbeiten meist im Medium des Schwarz-Weiß. (Kern zeigt auch einige farbige Zeichnungen.) Kerns Kohlezeichnungen stellen architektonische Ensembles und Interieurs dar, Hofers Aquatinta-Radierungen zeigen Parklandschaften. Sowohl die Zeichnungen als auch die Druckgraphiken wirken auf den ersten Blick so realistisch, dass man sie für Fotografien halten könnte. Doch verflüchtigt sich dieser Eindruck im weiteren Hinschauen immer mehr in die elementaren Mittel, aus denen sich der Bildgegenstand zusammensetzt: die weichen, immateriell wirkenden Kohlestriche von zartestem Grau bis zu tiefsten Schwarz sowie das ausgesparte weiße Papier dazwischen verdichten sich zum Bild eines Innenraums. Hofers Landschaften lösen sich in ein kunstvoll gewobenes, atmosphärisches Netz von schwarzen Linien, Grauwerten und weißen Lichtflecken auf. Im Zwischenraum zwischen dem Konkreten und Abstrakten ereignet sich die Kunst beider, die sich von zwei Gegenpolen aufeinander zu bewegen: Kern setzt bei der Abstraktion an und gelangt von da zu einer imaginierten Realität. Hofer beginnt mit dem Konkreten, von dem sie über Fotografien und Zeichnungen bis zur Aquatinta ein Stück weit abstrahiert. Und was gesehen wird, liegt ganz im Auge des Betrachters.

Im ersten Raum hängen Arbeiten beider Künstler im gemischten Tableau. Einen zweiten Raum hat Stefan Kern mit einer Installation bespielt, die sich um die bildnerischen Mittel Linie, Fläche, Helldunkel, Schwarzweiß, Licht und Farbe dreht. Im dritten Raum kann man ausgiebig Stefanie Hofers großartige Aquatinta-Radierungen studieren. Unbedingt anschauen! (Bis 14.11., Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 1, 38300 Wolfenbüttel, Öffnungszeiten: Mi bis Fr 16–18 Uhr, Sa und So 11–13 Uhr).

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16. Oktober 2021

„Theater Zeitraum“: Premiere „Galka Scheyer in Amerika“

Foto: Klaus G. Kohn

Im Mai 1924 trifft sie in New York ein, und sie brennt darauf, als „Ministerin“ für ihre „vier blauen Könige“ den amerikanischen Kunstmarkt zu erobern: Emmy Galka Scheyer, Malerin aus Braunschweig, die sich seit ihrer schicksalhaften Begegnung mit Alexej von Jawlensky 1916 mit Herz, Haut und Haaren für die Vermarktung von dessen Kunst einsetzte. Im März 1924 nahm sie auch die Maler Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger unter ihre Fittiche und gründete die Künstlergruppe „Blaue Vier“.

Nun hatte das neue Stück von Gilbert Holzgangs dokumentarischem „Theater Zeitraum“ Premiere, „Galka Scheyer in Amerika“; es zeichnet den Weg der leidenschaftlichen Kunstvermittlerin in den Vereinigten Staaten anhand ihres Briefwechsels mit den Künstlern nach.

Und was für Briefe! Man bedauert den Untergang einer solchen Kultur in den Zeiten von E-Mail, SMS und WhatsApp. Das Wunderbare an der Inszenierung: Da die Schauspieler diese Briefe im Wechsel höchst ausdrucksvoll sprechen, hört man einem lebendigen Gespräch zu, mal einem Dialog, mal einem Terzett oder Quintett.

Anfang August 1924 schreibt Galka (Kathrin Reinhardt), sie habe in der öffentlichen Bücherei in acht Tagen 1000 Adressen von Galerien und Museen abgeschrieben und verschicke nun Briefe an diese. „An alle schreiben und das Schicksal für sich arbeiten zulassen – das ist die amerikanische Art zu arbeiten. That gives me a chance.“

Foto: Klaus G. Kohn

Galka gehört der Vordergrund der Bühne, die an Bauhaus-Architektur und die abstrakte Malerei des russischen Konstruktivismus erinnert. Vorn bildet sachliches, weißes Mobiliar ein Interieur, in dem sie spricht und agiert. Die Herren im fernen Europa treten für ihren Part jeweils aus den schwarzen Kulissen hervor. Sie tragen graue Anzüge, Galka dagegen leuchtet im roten Kleid. Der Ton ihrer Briefe ist fast durchweg von Begeisterung, ja Euphorie getragen. „Man darf nicht weinen oder Sehnsucht haben – die Idee ist alles!“ Unermüdlich hält sie…

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13. Oktober 2021

„Habitate“. Salon Salder 2021

Foto: Gertrud Färber

Eine achteckige Kabine aus festem Karton, die Tür steht offen. Neugierig späht man ins Innere. Sehr eng ist es da. Ein Mülleimer hängt an der Wand. Seine Unterseite ist herausgebrochen, sein Inhalt – leere Bierflaschen, Kronkorken, Chipstüten – bildet auf dem Boden ein unappetitliches Ensemble. Die Außenseiten des Oktogons sind mit Graffiti besprüht. LOST NATURE ist zu lesen und SPACE TRASH, auch ein Ufo und ein Planet schweben da. Ein enger, hoher Innenraum, der wie eine Raumkapsel anmutet, wird zum größten denkbaren Außenraum in Beziehung gesetzt, zum Universum. Verloren ist unsere Natur, die im Müll erstickt, Rettung verheißt die Möglichkeit, ihn ins Weltall zu schießen.

„Oktabin Raum 14“ heißt diese Arbeit von Joanna Schulte. Sie gehört zu elf niedersächsischen Künstlerinnen und Künstlern, die zur Zeit im „Salon Salder“ der Städtischen Kunstsammlungen Schloss Salder ausstellen. Das Thema lautet in diesem Jahr „Habitate“. Dieser Begriff meint einen spezifischen, abgegrenzten Lebensraum in der Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die menschliche Lebenswelt. Die Ausstellenden haben sich von diesem Motto zu den unterschiedlichsten Ausdrucksformen inspirieren lassen: Fotoarbeiten und Zeichnungen, Video, Skulptur und Installationen bilden eine mediale Vielfalt, die allein schon die Schau abwechslungsreich und sehenswert macht.

Sina Heffner, die sich ganz dem Thema „Tiere“ verschrieben hat, hat sich dieses Mal der Vögel angenommen. In den Gefachen ihres schrankartigen „Vogelbaums“ sitzen weiß bandagierte Vögel, wie abgestorben und ins Leichentuch gehüllt. Dazu zeigt Heffner „Nistkästen“, eine Assemblage von kubischen Körpern aus Karton mit Ein- und Ausflugslöchern. Man kann das als Verweis auf das dramatische Vogelsterben auffassen, doch wirken die Kästen durch ihre abstrakt-geometrischen Formen eben auch als autonome Skulpturen. Dazu gehört noch eine Serie von sehr feinen Zeichnungen nach Abdrücken, die Vögel mit ihrem Gefieder auf Glasscheiben hinterließen.

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17. September 2021

Im Atelier: Susanne Hesch

Sankt Johannes Baptista in Wenden ist eine schmucke kleine Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Außen rote Ziegel, im Inneren weiß die Wände, hellgrau das Gestühl und die Empore, himmelblau das Deckengewölbe. Am 27. Juni ist der Schutzpatron der Kirche, Johannes der Täufer, hier eingezogen, in Gestalt eines Gemäldes, das seinen Platz im Seitenschiff, ganz nahe beim Taufstein, gefunden hat. „Das Bild und die Arbeit daran haben mich durch das ganze letzte Jahr begleitet“, sagt seine Schöpferin, die Malerin Susanne Hesch. Mit ihrem Entwurf hatte sie 2020 den ersten Platz des von der Gemeinde ausgeschriebenen Wettbewerbs gewonnen.

Hesch malt seit langem figürlich, von daher lag ihr das Thema nahe. Doch zu der biblischen Gestalt des Täufers musste sie erst einen Zugang finden. „Interessant finde ich, dass christliche Figuren einen Bedeutungshorizont mitbringen“, sagt sie. „Am Johannes hat mich die semantische Ebene fasziniert, also, dass er auf etwas hinweist, ein Sehender, Erkennender und Zeigender ist. Und das ist ja auch das Metier der Kunst: in der Umwelt etwas sehen, das zum Zeichen wird.“ Auch die Geschichte von Salome, die vom König Herodes als Lohn für ihren Tanz den Kopf des Johannes fordert, sei natürlich spannend. Doch Hesch hat den Täufer und Bußprediger groß ins Bild gesetzt, das mit seinen Maßen 200 x 110 cm auf der kargen Wand bestens zur Geltung kommt. Als Halbfigur in rotem Gewand, mit dem Zeigegestus der rechten Hand, steht Johannes im Fluss, der vom oberen Bildrand über ihn herabströmt. Ein besonderes Detail: In Profil des Sehers gibt es zwei Augen, ein offenes, mit dem er in die Außenwelt blickt, und ein geschlossenes, mit dem er nach innen schaut. Im blauen Wasser erscheint das Zeichen des Gotteslamms. Unten wächst Johanniskraut, rechts neben der Figur ein Baum als Symbol des Lebens. Und weil Johannes aus der Wüste kam, wo er sich…

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12. September 2021

Im Atelier: Yvonne Salzmann

Foto: Güde Renken

Zum Gespräch mit Yvonne Salzmann bin ich im Prinzenpark verabredet. Als ich ankomme, sitzt sie schon da, auf einer blauen Decke im Gras, und bietet mir sogleich Kaffee und Schokolade an. „Ich dachte, wir machen es uns mal gemütlich“, sagt sie.

Die Gemütlichkeit ist einem straffen Zeitplan abgetrotzt. Das von der umtriebigen Fotokünstlerin initiierte Projekt der „Park Side Gallery“, einer Ausstellung von sechs Braunschweiger Künstlerinnen im Außenraum, läuft noch bis Oktober. Die Eröffnung ihrer eigenen Ausstellung „Blütezeit“ in der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel stand zum Zeitpunkt des Interviews kurz bevor. Das nächste Projekt, „EinTRACHTEN. Kleidung als Bestandteil regionaler Identität“ von Julia Eschment, bei dem Salzmann die künstlerische und organisatorischen Leitung des fotografischen Teils übernimmt und mit einer eigenen Foto-Serie beteiligt ist, erscheint auch bereits am Horizont. Dazu gibt sie noch Workshops für Gruppen, auch an Schulen. „Ich bin beglückt mit dem, was gerade läuft“, strahlt Salzmann, „alles ist spannend und abwechslungsreich. Ich habe ein erfülltes Leben.“ Das war sogar im letzten Jahr so, in der Auszeit des Lockdowns. Wo andere ausgebremst und ohne Beschäftigung waren, hat die Künstlerin es genossen, Zeit für ihre eigene Arbeit zu haben und die Foto-Serie „Blütezeit“ geschaffen. Der Rückzug und die Entschleunigung haben ihr neue Räume eröffnet, die sie mit einer subjektiven Kamera erkundet hat. Dabei hat sie vieles entdeckt, was in ihrem Inneren auf Resonanz gestoßen ist. Diese inneren Bilder hat sie nach außen gebracht, der Corona-Sommer ist ihr zur „Blütezeit“ geworden. „Es kommt bei einem Bild nicht auf Perfektion an“, sagt sie, „es muss eine Seele haben.“

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